Kuratorin Zindel über Hass im Netz

"Ich versuche eine klare Positionierung"

Jan Woitas/dpa
Jan Woitas/dpa
Man kann Hass in den sozialen Netzwerken melden. Oder man geht wie die Initiative #ichbinhier mit sachlichen Argumenten gegen Hetze an

Kuratoren erhalten Morddrohungen, Künstler werden bedrängt: Auch Kunstinstitutionen sind zunehmend von Hetze im Netz betroffen. Die Initiative #ichbinhier will gegen Hasskommentare vorgehen. Monopol sprach mit der in der Gruppe aktiven Kuratorin Yvonne Zindel über das Gesprächsklima in den sozialen Medien und das Zögern der Kunstwelt, Stellung zu beziehen

Yvonne Zindel, worum geht es bei #ichbinhier?
Es geht um Gegenrede, vor allem auf Facebook. Der Konzern hat immer wieder die Verantwortung für Inhalte von sich gewiesen, denn es hieß, dass die Nutzer die Plattform gestalten. Bis zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz war Facebook auch kaum bereit, Inhalte zu löschen. Bisher wurde vor allem auf Nacktheit reagiert, aber wenig auf Hassrede. Ein sehr amerikanisches Vorgehen.

Alles war erlaubt?
Um das Gesprächsklima mussten sich die Administratoren der Facebook-Seiten kümmern. Aber bei manchen Seiten wird wenig moderiert — tendenziell bei rechten Medien. Da wird mehr zugelassen.

Und die Initiative will das ändern.
Die Idee von #ichbinhier ist, dass Personen ihre Filterblase verlassen und immer öfter #ichbinhier sehen. Wir argumentieren sachlich und unemotional gegen Hassrede. Die Kommentare sollen nicht einfach so stehen bleiben.

Sachliche Argumente? Ist Facebook nicht eher die Plattform der starken Affekte?
Bei #ichbinhier fordern wir immer wieder dazu auf, die Trolle nicht zu füttern. Damit werden die Hasskommentare ja nach oben gespült.

Was hat sich mit dem Netzdurchsetzungsgesetz verändert?
Seit das Gesetz eingeführt wurde, gehen diese Kommentare nicht mehr so sehr in Richtung Hassrede, sondern es wird ein wenig subtiler. Es werden Ironie und Satire benutzt.

In rechten Medien gibt es auch Artikel mit Verschwörungstheorien über #ichbinhier. Da wird den Aktivisten vorgeworfen, dass es sich bei Ihren Aktionen um orchestrierte Marketingkampagnen handelt, bei denen die Presse auch eine Rolle spielt.
Dass  Hannes Ley, der Gründer der Aktion, und die Journalistin Dunja Hayali, ebenfalls aktiv bei #ichbinhier, kürzlich das Bundesverdienstkreuz bekommen haben, befeuert das noch. Zum Teil stimmt das ja auch. Es ist kein Geheimnis, dass Hannes Ley einen Hintergrund im Online-Marketing hat.

In der Kunst ist Teilhabe eine alte Idee, und das ist Ihnen als Kuratorin auch nicht fremd. Sehen Sie da eine Verbindung zum Aktivismus?
Ich würde auch gar nicht so sehr von Aktivismus sprechen. Sagt jemand so etwas in der Straßenbahn, würde ich ja auch reagieren. Wenn ich Zeit habe und ohnehin auf Facebook bin, kann ich mir auch zehn Minuten lang den Tag mit rassistischem Unsinn verderben.

Bekommt die Kunstwelt von diesen Problemen denn nichts mit?
Ich forsche gerade über Digitalität und Museen. Die glauben noch an das Versprechen, dass Social Media Teilhabe und Demokratisierung bedeuten, Kunst scheint mir aber immer noch etwas für elitäre Zirkel. Das könnte und sollte man zugänglicher machen. Ich glaube nicht daran, dass Kunst erzieherisches Potential hat, aber trotzdem sollte es ein wenig demokratischer zugehen. Gerade in Anbetracht der Rechtswendung, die wir gerade erleben. Ich versuche eine klare Positionierung, das machen nicht viele im Kunstbereich. Die meisten halten ihre Facebook-Profile frei davon und äußern sich lieber nicht politisch. Zum linken Aktivismus bekomme ich auf Facebook aus Kunstkreisen kein Feedback. Als ob das nicht da wäre.

Sind denn Kunstinstitutionen von Anfeindungen betroffen?
Klar. Hilke Wagner, Leiterin des Albertinums in Dresden, schrieb, dass sie ständig Anfragen von der AfD bekommt. Die wollen wissen, warum denn nicht mehr von den ostdeutschen Künstlern aus dem Depot ausgestellt werden. Eine andere Bekannte hat mir, ebenfalls aus Dresden, berichtet, dass sie Morddrohungen per Facebook bekommt, wenn zum Beispiel eine Ausstellung mit einem schwarzen Künstler angekündigt wird.

Viele Kunstinstitutionen haben den Wunsch, Räume für Diskussion zu schaffen — wie eine neue Art von Öffentlichkeit in den Institutionen. Während die Rechten das Internet besetzen.
Total problematisch. Es gibt noch die Netzkunst, aber sonst positioniert sich kaum jemand politisch.

Dabei wollte die Kunst das Internet als einen utopischen Ort besetzen, als wäre da nun eine ganz neue demokratische Kreativität möglich.
Das ist ja auch ein Freiraum. Die NetArtists dachten auch, im Internet kann man alles sagen und denken, und jeder kann nun ein Autor und Künstler sein. Das ist sehr optimistisch.

Gilt es als uncool, politisch zu sein?
Der Kunstbetrieb benutzt das Internet zum Netzwerken. Ich kann meinen Facbook-Account nicht löschen, weil es eine Quelle von Informationen ist. Dort kann ich aber auch meine eigenen Inhalte positionieren. Wenn ich jeden Tag bei anderen Leuten auf der Timeline erscheine — wie vielen gehe ich damit auf den Keks?

Aber das ist doch wichtig!
Eigentlich ist das ein Problem, das alle betrifft. Denn wenn sich die politische Lage in Deutschland ändert, wer gibt denen Geld?

Es geht auch ums Überleben von Kunst und Institutionen?
Naja, zumindest um Sponsoring, Sichtbarkeit, öffentliche Ausschreibungen. Darum, welche Dinge überhaupt diskutiert werden, für welche Projekte Geld ausgegeben wird. Es ist wichtig, dass das weitergeht. Das ist vielen nicht bewusst, wenn sie sich da raushalten.