Der chinesische Künstler Ai Weiwei hat ein Filmteam aus seinem Berliner Studio zum Flughafen geschickt, der aus Hongkong stammende Filmemacher Wong Ping prangert in einem Instagram-Video Polizeigewalt gegen Demonstranten an. Die Proteste in Hongkong, die nun schon seit Wochen andauern und seit dem Wochenende noch einmal ihr Ausmaß vergrößert haben, beschäftigt auch die internationale Kunstszene.
Am gestrigen Dienstag hielten Demonstranten unter anderem erneut den Hongkonger Flughafen besetzt, öffentliche Institutionen in der Innenstadt wurden bestreikt. Die Proteste richteten sich ursprünglich gegen den steigenden Einfluss Festlandchinas auf die Sonderverwaltungszone Hongkong und verwandelten sich dann in allgemeinere Forderungen nach mehr Demokratie.
Inzwischen prangern die Demonstranten auch immer lauter das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen die Teilnehmer der Proteste an. Am Wochenende sollen Einsatzkräfte Tränengas in eine U-Bahn-Station geleitet haben. Eine Frau soll durch ein Gummigeschoss der Polizei ein Auge verloren haben. Die Regierung wirft den Demonstranten wiederum gewalttätige Übergriffe gegen Beamte vor. Inzwischen sprechen die Behörden von "nahezu Terroristen".
Delacroix' Wiedergeburt in Hongkong
Neben den zahlreichen Fotos und Videos, die über die sozialen Medien verbreitet werden, spielt auch Kunst bei den Protesten eine Rolle. In U-Bahn-Stationen wurden sogenannte "Lennon-Walls" (benannt nach dem verstorbenen Ex-Beatle und Friedensaktivisten John Lennon) errichtet, auf denen Passanten ihre Forderungen und Wünsche auf bunten Post-It-Zetteln hinterlassen können. Außerdem verarbeiten viele Künstler die Ereignisse in "Visual Recordings", also vor Ort angefertigten Skizzen. Die Zeichnerin Kay Wong lädt ihre Bilder im Internet hoch und hofft, dass sie als Postkarten ausgedruckt und in der Welt verschickt werden.
Auf einer ihrer Zeichnungen taucht eine Demonstrantin in der Pose von Delacroix' französischem Revolutionsbild "Die Freiheit führt das Volk" von 1830 auf. Auf Ihrer Fahne steht "Free Press". Auch die Aktivistengruppe #Standwithhk hofft auf internationalen Beistand. Sie ruft zu "Guerilla Screenings" von Videos aus Hongkong im öffentlichen Raum auf. Anfang August wurden die Filme bereits an einer Brücke in Shoreditch und auf einer Hauswand am Oxford Circus in London gezeigt.
Die Kunst- und Kulturszene in Hongkong gehörte von Anfang an zu den Gegnern des inzwischen auf Eis gelegten Auslieferungsgesetzes, das laut Kritikern Justizwillkür von Seiten Chinas ermöglicht hätte. 100 Institutionen, darunter Galerien und alternative Kunstorte, hatten sich im Juni an einem Streik beteiligt. Auch der Hongkong-Pavillon auf der Biennale in Venedig wurde zwischenzeitlich aus Solidarität geschlossen.
Der chinesische Künstler Ai Weiwei hat sich bereits mehrfach solidarisch mit den Demonstranten gezeigt und äußert sich besorgt über die Eskalation der Gewalt. Der "Deutschen Welle" sagte er, er befürchte ein Massaker wie 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Sein Instagram-Konto hat Ai Weiwei praktisch zu einem News-Kanal aus Hongkong umfunktioniert. Dort wandelte er auch eine seiner bekanntesten Serien ab, bei denen er vor Regierungsgebäuden seinen ausgestreckten Mittelfinger fotografiert. Diesmal schaut sein Arm aus einem zerschnittenen Regenschirm - einem der Symbole der Hongkonger "Umbrella Revolution".