NS-Hinterlassenschaft als Unesco-Welterbe?

Historiker zu Peenemünde-Streit: Auch dunkle Orte sind ein Erbe

Der Nachbau einer V2-Rakete steht auf der Insel Usedom auf dem Gelände der einstigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde
Foto: Stefan Sauer/dpa

Der Nachbau einer V2-Rakete steht auf der Insel Usedom auf dem Gelände der einstigen Heeresversuchsanstalt Peenemünde

Nach der Ankündigung von Ministerpräsidentin Schwesig, das Historisch-Technische Museum in Peenemünde für die Unesco-Welterbeliste vorschlagen zu wollen, ist ein Streit entbrannt, ob das sein darf. Der wissenschaftliche Leiter des Museums sagt: Ja

Nach teils heftiger Kritik am Plan von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), die NS-Hinterlassenschaften in Peenemünde auf Usedom für die Unesco-Welterbeliste vorzuschlagen, hat der Historiker Philipp Aumann betont, dass auch dunkle Orte zum Erbe der Menschheit gehören. "Die Frage ist doch: Feiert der Welterbe-Status einen Ort oder sagt er, der Ort ist bedeutend in einem bestimmten Sinn?", sagte der wissenschaftliche Leiter des Historisch-Technischen Museums (HTM) in Peenemünde am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Letzteres sei der Fall. "Genau das ist das Welterbe-Kriterium."

Aumann warnte vor einer "Einerseits-Andererseits-Sichtweise" auf den Ort. Die Ruinenlandschaft von Peenemünde habe eine "exponierte Verbrechensgeschichte". Unter Einsatz von Zwangsarbeit seien Terror-Waffen entwickelt und gebaut worden, um möglichst viele Menschen zu töten. Das sei auf technisch höchstem Niveau geschehen. Seit Jahren beleuchte das Historisch-Technische Museum in seinen Ausstellungen diese beiden Aspekte.

Peenemünde ist eng mit der Geschichte der deutschen Raketentechnik verbunden. Dort wurde etwa am weltweit ersten Marschflugkörper und an der ersten funktionierenden Großrakete gearbeitet, heißt es auf der Internetseite des Museums. Das HTM arbeitet demnach die Geschichte der Entstehung und Nutzung dieser Waffen auf, die später im Zweiten Weltkrieg auch gegen westeuropäische Großstädte eingesetzt wurden. Dazu wurden in Peenemünde auch KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter beschäftigt.

Nach Aumanns Worten wird das Museum in den kommenden Wochen die wissenschaftliche Begründung für den Welterbe-Vorschlag ausarbeiten. "Dabei geht es darum, die historische Bedeutung des Ortes klar zu kommunizieren." Und dabei gehe es nicht um die Raumfahrt, stellte der Historiker klar.

Grundlage für die jetzigen Schritte ist Aumann zufolge der Conservation Management Plan von Archäologen und Denkmalpflegern aus dem Jahr 2012. Die Experten seien darin zu dem Ergebnis gekommen, dass Peenemünde nach den Statuten der Unesco welterbefähig ist. "Das ist die Grundlage, auf der wir reden und auf der auch Frau Schwesig ihre Aussage getätigt hat", erklärte der Historiker. Die Regierungschefin hatte im Juli angekündigt, der Kultusministerkonferenz vorschlagen zu wollen, das Historisch-Technische Museum in Peenemünde für die Welterbeliste der Unesco anzumelden.

Die oppositionelle Linke im Schweriner Landtag kritisierte den Plan. "Aus meiner Sicht ist der Versuch von Frau Schwesig geschichtsverzerrend. Vor dem historischen Hintergrund verbietet sich ein solches Ansinnen", sagte die Fraktionsvorsitzende Simone Oldenburg.

Unterstützung kommt dagegen von der AfD. Ihr Fraktionschef Nikolaus Kramer sagte dem NDR, Peenemünde sei in zweifacher Hinsicht ein bedeutender Ort: "Dort ist die Wiege der Raumfahrt und zudem ein Ort des Gedenkens an die Zwangsarbeiter, die dort ums Leben kamen." Schwesigs Plan hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" sprach von einem abstrusen Vorschlag.