Arthur Jafa im Zentralen Pavillon / Giardini
This is America: Arthur Jafas Video "The White Album" reiht Szenen eines von Rassismus und Gewalt zerrissenen Landes aneinander. Vieles davon sind gefundene Aufnahmen aus dem Internet, aufgenommen von Menschen, die ihren Hass auf die Welt da draußen auf Youtube oder in obskuren Foren posten: das junge Mädchen, dass hier mal eben dringend loswerden muss, dass es wirklich mal genug sei mit dem Gerede über Rassismus. Der schwerbewaffnete Typ, der vor seiner Handykamera für einen Amoklauf probt. Die Gang, die einen LKW-Fahrer brutalst zusammenschlägt. Zwischendurch Momente der Hoffnung, der Spiritualität, der Schönheit, zu kurz um die Paranoia zu vertreiben.
Henry Taylor, Julie Mehretu, George Condo im Zentralen Pavillon / Giardini
Biennale-Leiter Ralph Rugoff beweist mehr als einmal sein herausragendes Gespür für Räume. In einem ganz der Malerei gewidmeten Raum – bei Biennalen ja ohnehin eine Seltenheit – kommt es zum so unwahrscheinlichen wie fantastischen Zusammentreffens der intensiven Porträts von Henry Taylor mit den eleganten Abstraktionen von Julie Mehretu und dem wuchtigen Surrealismus von George Condo. Wie die Bilder dieser Künstler unter der Oberfläche, jenseits aller Stilfragen miteinander kommunizieren – das ist schlicht atemberaubend.
Laure Prouvost im französischen Pavillon
Die Schlangen am französischen Pavillon sind die längsten, und das zu Recht, denn Laure Prouvost hat dort eine Wunderwelt geschaffen. Der Boden des Pavillons wirkt nass, als sei er gerade erst aus dem Meer aufgetaucht, eine zahme Taube hüpft herum, eine Skulptur voller Brüste steht in einer Ecke, die im Film dann herumgetragen wird wie eine Monstranz bei einer Fruchtbarkeitsprozession. Gezeigt wird der Film in einer weichen dunklen Höhle, in die man sich hineinkuschelt wie in einen Uterus; er folgt einer Gruppe sehr unterschiedlicher Menschen bei ihrer phantastischen Reise von den Betonwüsten einer Vorstadt über das Meer nach Venedig. Man achte auf den Oktopus.
Bárbara Wagner und Benjamin de Burca im brasilianischen Pavillon
Der brasilianische Pavillon hat die mitreißendsten Tänzerinnen und Tänzer der Biennale zu bieten. Barbara Wagner und Benjamin de Burca arbeiten seit vielen Jahren mit Communities in den armen Vorstädten ihrer Heimatstadt Recipe. In ihrem Film porträtieren sie eine Tanzgruppe, die in einer abgerissenen Turnhalle für einen Wettbewerb trainiert. Ihre Arbeit ist eine Hommage an eine selbstbewusste Subkultur voller queerer Stars, die Bolsonaro wahrscheinlich zu Hassattacken verleiten, selbst aber stolz mit der brasilianischen Flagge posieren: "Ordnung und Fortschritt" ist auch ihr Motto, wenn sie sich in Formation aufstellen.
Korakrit Arunanondchai in der Hauptausstellung im Arsenale
Der Thailänder mit den Zöpfen ist der neue Schamane der Biennale. Sein Hauptwerk in Ralph Rugoffs Ausstellung im Arsenale ist ein Dreikanalfilm, der oberflächlich von den in einer Höhle eingeschlossenen Jungen handelt, deren Rettung zu einer internationalen Heldengeschichte wurde. Darunter ist der Film eine wirkungsmächtige Geisterbeschwörung, mit Boychild als Medium der Kommunikation mit dem Jenseits, mit Alten, die im Sterben liegen, mit dem Kreislauf des Lebens und einer Menschheit, die ihre Balance verloren hat und sie irgendwo zwischen Natur und Spiritualität wiederfinden muss.
Cathy Wilkes im britischen Pavillon
Auf der diesjährigen Biennale fühlt man sich ein wenig von verstörenden Puppen verfolgt. Sowohl in der Hauptausstellung als auch in den Pavillons werden die Besucher von grotesk erstarrten oder hölzern animierten Figuren beäugt - die Antithese zu K.I. und lebensechten Robotern? Die eindringlichste Puppenstube hat die Künstlerin Cathy Wilkes im britischen Pavillon geschaffen. Die Räume erinnern an trostlose Interieurs oder öde Wartesäle. Überall liegen vereinzelte Dinge herum, die nie ein Ganzes ergeben. Mit ihrem Schweigen schaffen Wilkes fragmentierte Protagonisten trotzdem kraftvolle und seltsam intime Konstellationen, die sich der Effekthascherei vieler Pavillons verweigern.
Dominique Gonzalez-Foerster in der Hauptausstellung im Arsenale
Die große Frage bei VR-Installationen ist: Was will man erzählen? Im Fall von Dominique Gonzalez-Foersters Arbeit "Endodrome“: nichts. Und das ist großartig, denn die Erfahrung inmitten von langsam entstehenden und wieder vergehenden Farbwolken wird tatsächlich fast außerkörperlich. Irgendwann findet man sich in dieser Welt so gut zurecht, dass die Wolken auf die eigene Blickrichtung reagieren. Alles ist gut. Der Atem wird regelmäßig, die Schultern entspannt, alle fühlen dasselbe an einem Ort, an dem noch niemand war.
Der venezolanische Pavillon
Starke Symbolik entsteht in der Kunst manchmal auch ungewollt. Während viele Länder, in denen politischer Ausnahmezustand herrscht, die Biennale zur Imagepolitur benutzen, bleibt der Pavillon Venezuelas in den Giardini bisher öde und verschlossen. Das Land, das zunehmend von Armut, Chaos und Hunger beherrscht wird, hat ganz einfach andere Sorgen, als auf dem internationalen Kunstparkett mitzuflanieren. Der angekündigte Titel des venezolanischen Beitrags ist: "Metaphore of three windows, Venezuela: identity of time and space". Und selbst wenn der Pavillon doch noch mit Verspätung öffnen sollte, ist das verwaiste Kunsttempelchen in den Giardini vielleicht die stärkste Metapher von allen.
Jantsankhorol Erdenebayar, Carsten Nicolai und ein Obertonchor im mongolischen Pavillon
Versteckt in der Nähe der Arsenale liegt der kleine mongolische Pavillon, in dem Jantsankhorol Erdenebayar Skulpturen gestopft hat, die wie Erdwesen in den dunklen Räumen hocken. Immer wieder treten hier Obertonsänger aus Erdenebayars Heimat auf, die gemeinsam mit Carsten Nicolai alias Alva Noto ein Sound-Performance vorbereitet haben. In den Eröffnungstagen machen alle gemeinsam Musik, auf Nicolais Label soll demnächst auch ein Platte erscheinen. Ihn fasziniere die Verwandtschaft zwischen dem Kehlkopfgesang und bestimmten Synthesizer-Klängen, die durch eine ähnliche Technik entstehen, erzählt der deutsche Künstler. Die 40-minütige Sound-Performance ist ein drone-artiges Stück, in das man gut versinken und über das Nomadenleben gestern (etwa in der Mongolei) und heute (wir alle und besonders die Kunstszene in der globalisierten Welt) nachdenken kann (am 10. Mai auch als Konzert im Palazzo Grassi)
Cyprien Gaillard im Zentralpavillon / Giardini
In den dunklen Kuppelbau fügen sich die Kunstwerke so gut ein, dass man einzelne übersehen könnte. In der Mitte steht ein kleiner LED-Ventilator, das faustgroße Motiv ist der "Hausengel" von Max Ernst, ein Monster, mit dem er dem aufkommenden Faschismus 1937 einen Körper gab und von dem er drei Versionen malte. Als 3D-Hologramm verzehrt und gebiert sich dieser Körper immer wieder selbst. Vierte Fassung, das Update als zeitgemäßes Emblem.