Cullinan Richards bei Alma Pearl
Das Duo Cullinan Richards (bestehend aus Charlotte Cullinan und Jeanine Richards) hatte beim Auftritt der Londoner Galerie Alma Pearl augenscheinlich Édouard Manets "Un bar aux Folies-Bergère" von 1882 im Hinterkopf. Ein verspiegelter Bartisch bildet das Herzstück des Standes; dahinter ist eine großformatige Leinwand mit verspiegelten Paneelen und kreisförmigen Löchern an der Wand befestigt. Auch hier zeigt sich einmal wieder Cullinan Richards soziale Praxis der Einbeziehung des Gegenübers, denn: Die Bar ist nicht nur Kunstwerk, sondern auch richtige Bar, an der die Künstlerinnen höchstpersönlich Campari ausschenken. Stehenbleiben lohnt sich also gleich doppelt.
"New Entries"-Sektion
Élle de Bernardini bei Gilda Lavia
Dramatisch wie eine Filmdiva inszeniert sich die Transfrau Élle de Bernardini in "The Tears of the Artist". 1991 in Itaqui geboren, macht sie Identität und das Spiel mit Geschlechterklischees zum Thema ihrer Arbeit und zieht damit nicht nur
in ihrer Heimat Brasilien viel Interesse auf sich. Die Galerie Gilda Lavia aus Rom, auf Emerging Artists spezialisiert, hat sie in diesem Jahr neben den Künstlerinnen Gabriella Ciancimino, Pamela Diamante und Carla Grunauer im Programm.
"Dialogue"-Sektion
Camilla Gurgone bei Viasaterna
Camilla Gurgone, Jahrgang 1997, schloss erst in diesem Jahr ihr Kunst- und Kurationsstudium i in Mailand ab. Für die fortlaufende Keramik-Serie "Tachilalia" scannt sie Supermarktquittungen ein und verschob die Buchstaben der Artikelnamen digital, um einen Text oder ein Gedicht durch ein Anagramm zu erstellen. Bei der Mailänder Galerie Viasaterna füllen die versteckten poetischen Botschaften gleich eine ganze Wand. "I walked through the shoke of the fire that blocked my arrow" beginnt ein Gedicht zum Beispiel – und am unteren Rand deutet ein brauner, kreisrunder Fleck an, dass die Quittung vor nicht allzu langer Zeit als Untersetzer für eine Kaffeetasse gedient haben muss.
"Dialogue"-Sektion
In Berlin kennt man Gundula Schulze Eldowy spätestens seit diesem Jahr: Gleich zwei Ausstellungen widmeten sich der 1954 in Erfurt geborenen Fotografin, die 2024 ihren runden Geburtstag feierte. In Turin scheint der Name noch nicht ganz angekommen zu sein – umso schöner, dass die Galerie Ebensperger es sich trotzdem nicht nehmen lässt, der Künstlerin die ganze Koje zu überlassen. Mit dabei sind einige ihrer bekannten Berlin-Fotografien, die Mitte der 1980er-Jahre in der von Mangel und Verlust gezeichneten DDR-Hauptstadt entstanden, aber auch spätere Aufnahmen aus New York wie "Papst New York" (1990).
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Gabrielle Goliath bei Raffaella Cortese
Am Weihnachtsabend 1991 erhielt Gabrielle Goliath die Nachricht, dass ihre Kindheitsfreundin Berenice tot ist: "Sie wurde zu Hause erschossen. Später wurde das – wenn überhaupt – als 'häuslicher Zwischenfall' bezeichnet." Die südafrikanische Künstlerin arbeitet sich immer wieder an diesem traumatischen Erlebnis ab, erschafft in ihren Fotografien weibliche "Ersatzpräsenzen". Vor zwei Jahren beschloss sie, die Serie "Berenice 29-39" erneut aufzugreifen und als "Lebenswerk der Trauer" zu reanimieren – diesmal in Farbe. Die Galerie Raffaela Cortese mit Standorten in Mailand und Albisola Superiore widmet der Serie gleich eine ganze Wand; dazu kommen Arbeiten von Monica Bonvicini, Francesco Arena, Roni Horn und Anna Maria Maiolino.
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Schmetterlinge und Rap-Größen bei Francisco Fino
Die Inszenierung des Standes der Galerie Francisco Fino erinnert an eine kleine Gruppenausstellung: Drucke der portugiesischen Künstlerin Daniela Ângelo treffen hier auf ein Gemälde der brasilianischen Künstlerin Panmela Castro, das den Rapper Tekilla in lässiger Haltung auf einer Couch zeigt; Wasserfarben-Schmetterlinge von Diogo Evangelista auf Skulpturen von João Motta Guedes, der in seinen Arbeiten Konzepte von Freiheit, Verletzlichkeit, Liebe und Gewalt erkundet. Mit im Programm hat die Galerie mit Sitz in Lissabon in diesem Jahr außerdem Karlos Gil, Igor Jesus und David Maljković.
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Sophia Süßmilch bei Krobath
"Kunstmachen an sich ist ja reinfressen, reinfressen, reinfressen und dann wieder auskotzen", sagte Sophia Süßmilch in unserer Monopol-Sommerausgabe, deren Cover sie schmückt. Wir erinnern uns: Damals sorgte ihre Ausstellung in der Kunsthalle Osnabrück schon vor der Eröffnung für einen Skandal, sodass die lokale CDU sogar zum Boykott der Schau aufrief, weil die angeblich kannibalistische Fantasien propagiere. Harmloser sind da die Ölgemälde der Künstlerin, die die Wiener Galerie Kobalth mit nach Turin gebracht hat: Die bunten Fabelwesen (wie in "Life before living", 2023) machen dem diesjährigen Messe-Motto "Die Ära des Tagträumens" alle Ehre.
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