Als ich von Hetty Bergs Berufung ans Jüdische Museum Berlin erfuhr, googelte ich als erstes ihren Namen. Schließlich kannte ich sie nicht. Ich hatte auch, obwohl ich vor drei Jahren eine kurze Zeit in Amsterdam wohnte, nie das Jüdische Historische Museum besucht, an dem sie seit 2002 als Museumsmanagerin arbeitete. Insbesondere nach den vielen Jahren schlechter Arbeit und fragwürdiger Entscheidungen des ehemaligen Direktors Peter Schäfer war ich motiviert, zu wissen, wer diese Frau ist, die nun die überaus wichtige Rolle inne haben würde, das politisch so relevante Museum in Berlin zu leiten.
Ich las, was Kulturstaatsministerin Monika Grütters über sie sagt, nämlich, dass sich Berg seit vielen Jahrzehnten der Vermittlung jüdischer Geschichte, Kultur und Religion widmet. Ich las, dass Berg, 1961 in Den Haag geboren, Theaterwissenschaften studierte und ihre Arbeit am 1. April 2020 beginnen würde.
Aber nicht nur ihre Arbeit interessierte mich, sondern auch ihre Herkunft. Ich googelte "Hetty Berg jüdisch" sowie "Hetty Berg Jüdin" und fand: nichts. Keinerlei Informationen zu ihrem kulturellen Hintergrund, nur einen kurzen Nebensatz im "Spiegel-Online"-Artikel, dass sie Mitglied der Jüdischen Gemeinde sei. Hetty Berg eine Jüdin, dachte ich? War das möglich? In Deutschland? Ich schickte Nachrichten an verschiedene Freunde im Kulturbetrieb, um sicher zu gehen, und bekam von unterschiedlichen Seiten die Bestätigung.
Als würden wir es okay finden, dass weiterhin nur Männer über Abtreibung reden
Damit ist ihre Berufung aus vielerlei Gründen ein geschichtsrelevantes Ereignis. Denn seit Jahrzehnten wird der Großteil aller jüdischen Museen, jüdischen Gedenkstätten und jüdischen Kulturinstitutionen von Nichtjüd*innen geleitet. Damit haben sie bis heute die Deutungshoheit der Rezeption über jüdisches Leben, jüdische Geschichte und jüdische Religion inne, was ungefähr so ist, als würden wir es weiterhin okay finden, dass ausschließlich Männer über Abtreibungen diskutieren.
Zöge man die Philosophin Miranda Fricker hinzu, könnte man hier ohne Probleme von hermeneutischer Ungerechtigkeit sprechen. Nämlich dem Problem, dass die marginalisierte Gruppe der Juden von der Erzählung ihrer eigenen Geschichte ausgeschlossen wird. Ich möchte sogar behaupten, mit voller Absicht. Das hat nun ein Ende. Zumindest am Jüdischen Museum Berlin.
Höchste Zeit für Veränderung
Damit will ich nicht abstreiten, dass man als nicht-jüdische Leitung eines Jüdischen Museums in Deutschland gute Arbeit machen kann. Aber ich würde mir wünschen, dass wir uns emanzipatorisch in eine Richtung bewegten, in der in Zukunft ausschließlich jüdische Leiter*innen für ebensolche Institutionen in Betracht gezogen werden.
Genau so, wie es gerade mit Hetty Berg passiert ist. Aus vielerlei Gründen: Wegen der besonderen Geschichte der Jüd*innen in Europa zum Beispiel, oder weil Jüd*innen vermutlich besser in der Lage sind ihre eigene Geschichte, Kultur und Religion zu erzählen und zu vermitteln, oder weil es einfach an der Zeit ist, den marginalisierten Gruppen selbst die Möglichkeit zu geben, die für sie erschaffenen Institutionen zu leiten.