Die Künstlerin Louise Bourgeois (1911-2010) kannte sich aus mit dem Eingesperrtsein. Ihre "Cells"-Installationen sind psychologisch aufgeladene Käfige, in denen Erinnerungen an die verborgenen Ecken ihres Elternhauses mit imaginierten und inneren Räumen zusammenkommen. Auch ihre wohl bekannteste Arbeit, eine riesige Spinnen-Skulptur namens "Maman" changiert zwischen der Assoziation von Geborgenheit und dem Gefühl des in der Falle Sitzens.
Die Künstlerin selbst verließ ihr New Yorker Apartment und Studio in den letzten Jahrzehnten nur noch selten. Dafür wurde ihre Bleibe im Stadtteil Chelsea zum Salon für junge Künstlerinnen und zur Behausung von Bourgeois' schier endloser Produktivität. Die gebürtige Französin zeichnete bis zu ihrem Tod mit 98 Jahren jeden Tag. Für sie war das spontane Arbeiten mit Wasserfarben, Kohle und Buntstiften eine Übung für ihr Gedächtnis und ihre Gefühle. "Zeichnungen sind wie Gedankenfedern", hat die Künstlerin einmal gesagt. "Ich fange sie im Flug und bringe sie zu Papier".
Eine Auswahl von Louise Bourgeois' Zeichnungen von 1947 - 2007 sind nun seit Mittwoch in einer Online-Ausstellung der Galerie Hauser & Wirth zu sehen - darunter abstrakte Landschaften, Collagen mit verschiedenen Körperteilen und suggestive Objekte wie Scheren, die einfach ein Stillleben sein könnten, aber auch an OP-Besteck und geöffnete Körper erinnern. Für Louise Bourgeois hatte der Akt des Schneidens stets eine besondere Bedeutung. Die Trennung von der Mutter durch die durchschnittene Nabelschnur, aber auch die Möglichkeit, neue Formen zu erschaffen, wie sie es in allem Medien tat. Zusätzlich zu den Zeichnungen sind in der Online-Ausstellung auch Bilder aus Bourgeois' New Yorker Wohnung zu sehen. Auch diese Kunst ist sozusagen im Home Office entstanden.