Der Londoner Stadtteil Notting Hill ist einer jener Orte, an denen Realitäten aufeinanderprallen. Entlang der Portobello Road verläuft durch ihn eine historische Grenze zwischen arm und reich – unsichtbar, für viele jedoch nach wie vor unüberwindbar. In der hochpreisigen Einkaufsstraße Westbourne Grove, gesäumt von bunten Einfamilienhäusern und eleganten Geschäften, sind aktuell an einer Außenfassade Fotografien der Künstlerin Khadija Saye zu sehen
die 2017 im Alter von 24 Jahren bei dem Feuer im von Sicherheitsmängeln durchsetzten Grenfell-Wohnhochhaus in North Kensington starb. Das Unglück riss neben der jungen Künstlerin und ihrer Mutter 70 weitere Personen in den Tod.Zum Zeitpunkt ihres Todes stand Saye am Beginn ihrer künstlerischen Karriere. Nur einen Monat vor der Tragödie des 14. Juni 2017 eröffnete die Venedig-Biennale, bei der sie als jüngste Position neben Künstlerinnen und Künstlern wie Isaac Julien and Yinka Shonibare im Diaspora-Pavillon zu sehen war. In ihrer Serie "Dwelling: in this space we breathe" setzt sich die gambisch-britische Tochter einer christlichen Mutter und eines muslimischen Vaters mit den migratorischen Mischformen traditioneller gambischer spiritueller Praktiken auseinander. Die Künstlerin wählte für ihre Selbstporträts die historische Technik der Ferrotypie, die durch ihre hohe Volatilität die Thematik des Unterwerfens an eine höhere Macht auch materiell widerspiegelte.
Nun sind Screenprints der neunteiligen Serie in einer Gegend von Notting Hill zu sehen, deren Lebensrealität Welten von jener des Grenfell Towers entfernt ist. Die Ausstellung im öffentlichen Raum ist Teil des unter der Leitung der Geschäftsfrau Eiesha Bharti Pasricha und der Kuratorin Sigrid Kirk stehenden Kunstprojekts "Breath Is Invisible". Bis zum 7. August sind Sayes Werke noch zu sehen, dann folgen weitere Interventionen im öffentlichen Raum von Martyn Ware, Zachary Eastwood-Bloom und Joy Gregory. Ziel des Projekts ist es, soziale Ungleichheit zu thematisieren – und unsichtbare Grenzen so sichtbar werden zu lassen.