Maler wird 75

Gottfried Helnwein vermisst Künstler mit Aussage

Gottfried Helnwein bleibt sich treu - und wird sein Publikum weiter verstören. Formen der Gewalt auch an Kindern seien sein zentrales Thema, sagt der Künstler, der zugleich den Kunstbetrieb kritisiert

Der österreichische Maler Gottfried Helnwein beklagt eine weiter zunehmende kommerzielle Orientierung der Kunst. "Ich vermisse Künstler, die eine Aussage haben, die aus einer inneren Notwendigkeit kommt", sagte Helnwein der Deutschen Presse-Agentur. Es bestehe die Gefahr, dass Künstler den alles dominierenden kapitalistischen Geist verinnerlichten. In seinem eigenen Schaffen blieben auch angesichts der Erfahrungen rund um den Ukrainekrieg der Schmerz und die Gewalt zentrale Themen, sagte Helnwein, der am 8. Oktober seinen 75. Geburtstag feiert. Er sei eigentlich ständig im Atelier. "Ich werde immer fokussierter, es gibt immer weniger Ablenkung", so der für seine fotorealistischen Werke international hoch geachtete Künstler, der abwechselnd in den USA und Irland lebt.

Für seinen aufwendigen Schaffensprozess habe sich die gleichzeitige Arbeit an 20 bis 30 Werken als ideal herausgestellt. "Ich gehe hin und her", sagte Helnwein. Grundlage für die Motive sei oft eine ausgiebige Recherche und der Dialog mit anderen am Weltgeschehen besonders interessierten Menschen wie dem US-Schauspieler Sean Penn. "Meine Bilder entstehen nicht im Vakuum."

Neben dem Thema Gewalt treibe ihn die Political Correctness um. "Sie ist eine große Gefahr". Er sei für die freimütige Rede, "auch auf die Gefahr hin, dass jemand etwas Falsches oder Blödes sagt."

"Die Ängste der Menschen vor der Zukunft sind berechtigt"

Seit rund 50 Jahren kreiert Helnwein Werke - gerade auch zur Gewalt an Kindern - die in ihrer Drastik das Publikum oft verstören. "Die Leute sind sehr berührt. Der Dialog mit dem Betrachter ist mir wichtig", sagt Helnwein. In den 1970er-Jahren gestaltete er Titelbilder von Magazinen wie "Spiegel", "Esquire", "Time" und "Playboy". Sein "Selbstporträt" von 1981 als Plattencover der Band Scorpions - ein schreiender Mann mit bandagiertem Kopf und Gabeln in den Augen - wurde zum Kultposter.

Beim Blick auf die Gesellschaft gäben gerade seine Erfahrungen aus den USA wenig Anlass zur Hoffnung. In vielen US-Großstädten bevölkerten viele Obdachlose die Straßen. "Die Ängste der Menschen vor der Zukunft sind berechtigt", sagt Helnwein und spricht von einem drohenden Wohlstandsverlust auch in vielen Teilen Europas. Der Ukrainekrieg zeige wie alle Kriege den Menschen als Bestie. Künstler wie Francisco Goya (1746-1828) oder Pablo Picasso (1881-1973) mit seinem Bild "Guernica", über die von den Nazis 1937 bombardierte spanische Kleinstadt, hätten dafür gesorgt, dass Grausamkeiten im kollektiven Gedächtnis verankert worden seien. "Die Idee des Künstlers, auf diese Sachen aufmerksam zumachen, ist etwas, was auch ein wesentliches Motiv meiner Arbeit ist."

Seinen Geburtstag feiert der weiterhin sehr gefragte Künstler - es gibt eine Warteliste für seine Werke - mit vier Enkelkindern und vier Kindern sowie deren Familien in seiner Heimatstadt Wien. Dort wird am 25. Oktober in der Albertina eine große Helnwein-Schau mit den wichtigsten Bildern aus den letzten beiden Jahrzehnten eröffnet.