Der ältere Mann auf dem Fahrrad hält gar nichts von der dampfenden Wasserfläche in der Mitte des Kreisverkehrs in Monheim am Rhein. "Weil das rausgeschmissenes Geld ist", sagt er in die Kamera. Ein zweiter Passant sorgt sich um das Durchkommen von Feuerwehr und Krankenwagen, falls der Geysir während eines Notfalleinsatzes ausbrechen sollte und der Verkehr vor roten Ampeln warten muss. "Ich finde das unverschämt", sagt er kopfschüttelnd.
Dass Menschen überraschenderweise über einen Geysir-Ausbruch auf einer Verkehrsinsel im Rheinland diskutieren, ist im Wesentlichen dem Künstler Thomas Stricker und dem Monheimer Bürgermeister Daniel Zimmermann von der regionalen Partei Peto zu verdanken. Stricker, der aus der Schweiz kommt und in Düsseldorf lebt, hat mit seinem Entwurf für einen menschgemachten Geysir einen Wettbewerb für Kunst im öffentlichen Raum für die Stadt Monheim gewonnen. Seine Idee könnte man als Extrem-Brunnen bezeichnen, oder als den Versuch, ein Naturphänomen in einem urbanen Umfeld anzusiedeln. Und mit Daniel Zimmermann hat Monheim einen Bürgermeister, der sich offen für solche ungewöhnlichen - und nicht ganz billigen - Kunstprojekte zeigt.
Die Ausbrüche des Geysirs, der im Oktober dieses Jahres eingeweiht wurde, richten sich nach den äußeren Bedingungen. Die meiste Zeit döst das Werk als seichter, sanft vor sich hin dampfender Steinteich auf der Verkehrsinsel. Doch immer nach 64 Sonnenstunden - und wenn zusätzlich Wind und Außentemperatur stimmen - schickt der domestizierte Geysir in einem Zeitfenster von etwa vier Stunden mehrmals eine Wasserfontäne in den Himmel über Monheim. In diesen Phasen muss der Verkehr rund um den Kreisel jeweils für ein paar Minuten ruhen. Die Kunst zwingt die Stadt zum Innehalten. Seit der Fertigstellung im Herbst ist der Geysir vier mal regulär ausgebrochen, die nächste Fontäne ist auf der Website der Stadt um den 10. Dezember herum vorausgesagt.
In die Luft geblasenes Geld?
Aus den sozialen Medien lässt sich schließen, dass der Geysir von Monheim inzwischen einige Fans verbuchen kann. Beim letzten Ausbruch Mitte November versammelten sich laut einem Sprecher der Stadt um die 300 Schaulustigen am Straßenrand. Doch bereits in der Planungsphase wurde das Projekt aufgrund seiner hohen Kosten mit Argwohn, Unverständnis und auch Hohn begleitet. So hat der Bund der Steuerzahler den Geysir bereits drei Mal in sein Schwarzbuch der Steuerverschwendung aufgenommen. Auch das erwähnte Video, in dem die beiden empörten Passanten zu Wort kommen, hat der Verband gedreht, der sich selbst als "Finanzgewissen der Bundesrepublik" bezeichnet.
Das isländisch angehauchte Phänomen am Rhein brachte es bereits vor seiner Fertigstellung zu mehr medialem Ruhm, als den meisten Kunstwerken im öffentlichen Raum jemals zuteil wird. Doch das Projekt hatte ein Image-Problem. Der Comedian Mario Barth wetterte bei RTL über den Geysir als Beispiel für buchstäblich in die Luft geblasenes Geld. Das NDR-Format "Extra 3" berichtete in der Rubrik "Realer Irrsinn". Bei Sat. 1 ging es im Format "Akte" unter der Überschrift "Ich glaub' ich spinne" ebenfalls um Sinn - und vor allem Unsinn - des Werks. Die Kritiker monieren neben einer empfundenen Nutzlosigkeit die Steigerung der Kosten für das öffentlich finanzierte Werk von rund 400.000 auf 600.000 Euro. Außerdem kostet es einige tausend Euro, die Baustellenampeln zu mieten, die bei einem Ausbruch des Geysirs den Verkehr regeln. Eine Ampel für einen Kreisverkehr - für manche schon Grund genug, das ganze Projekt unter Realsatire einzusortieren.
"Nur logisch, Kunst im öffentlichen Raum zu fördern"
Aber warum rufen ambitionierte Werke im öffentlichen Raum so oft Ablehnung hervor, während anderswo gleichzeitig die Eintönigkeit und Uninspiriertheit von "Kreiselkunst" kritisiert wird? Warum trifft es eine recht flexible Verkehrsinsel-Verschönerung, während über die Gefahr von Skulpturen als "starres Hindernis" diskutiert wird? Und warum ist es der Stadt Monheim so wichtig, auch als mittelgroßer Ort mit 40.000 Einwohnern durch spektakuläre Kunst aufzufallen?
Ein Anruf bei Bürgermeister Daniel Zimmermann. "Für eine Stadt, die viel in kulturelle Bildung investiert, erschien es uns nur logisch, auch Kunst im öffentlichen Raum zu fördern", sagt Zimmermann, der bei seinem Amtsantritt 2009 mit 27 Jahren der jüngste Bürgermeister Nordrhein-Westfalens war. Der Geysir ist nicht das erste Werk, das mit öffentlichen Geldern finanziert wurde. 2018 bildete die Skulptur "Schrei nach Freiheit" des Künstlers Saman Hidayat den Auftakt der Reihe "Kunst im öffentlichen Raum" in Monheim. Hidayat war 2015 aus dem kurdischen Erbil als Flüchtling nach Deutschland gekommen und wollte mit seiner Bronzearbeit die Fluchterfahrung unzähliger Menschen in einem Denkmal festhalten. Empörte Reaktionen á la Geysir blieben damals aus.
Könnte es daran liegen, dass Kunst zu gesellschaftlich relevanten Themen akzeptierter und leichter zu vermitteln ist als ein gigantischer, scheinbar irrelevanter Brodelteich? Daniel Zimmermann lacht. Für ihn war das Fontänenwerk alles andere als unpolitisch - bestimmte das Thema doch den Kommunalwahlkampf in diesem Jahr. Im September wurde Zimmermann schließlich zum zweiten Mal als Bürgermeister von Monheim wiedergewählt.
Für ihn rührt der Geysir an mehreren Themen, die für die Politik der Zukunft wichtig sind: Stadtplanung, Infrastruktur, die umstrittene Priorisierung des Autoverkehrs und die Erwartungshaltung, immer zügig voranzukommen - was durch den Ausbruch der Fontäne ab und zu verunmöglicht wird. "Natürlich steht der ästhetische Effekt hier stärker im Vordergrund als bei anderen Werken", sagt Daniel Zimmermann, "aber für mich ist es auch generell eine Aufgabe von Kommunen, sich im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten für Kulturförderung einzusetzen."
Grundsätzliche Vorbehalte gegen Kunstwerke
Dass es an sich nicht verkehrt ist, Kunst im öffentlichen Raum zu unterstützen, sagt selbst der Bund der Steuerzahler. Trotzdem vermutet Daniel Zimmermann bei dem Verband grundsätzliche Vorbehalte gegen Kulturprojekte. So seien in den Schwarzbüchern der vergangenen Jahre immer wieder Kunstwerke als Beispiele für Verschwendung aufgelistet worden - auch solche, die deutlich günstiger waren als der Monheimer Geysir.
"Man muss sehen, dass es in Deutschland sehr unterschiedlich ausgestattete Kommunen gibt", sagt Daniel Zimmermann. "Ich kann verstehen, dass es Bürgerinnen und Bürger aus hochverschuldeten Kommunen gibt, deren Kinder in schlecht ausgestattete Schulen gehen, und die sich fragen, warum Monheim am Rhein so viel in Kunst investiert, während andere Städte nur Geld für das Allernötigste ausgeben. Aber selbst wenn wir die 600.000 für den Geysir nicht ausgegeben hätten, bedeutet das ja nicht, dass auch nur ein Kind mehr im Ruhrgebiet ein iPad für die Schule bekommen hätte. Kulturförderung ist eben nicht nur Ländersache, sie ist auch darauf angewiesen, dass sich Kommunen engagieren."
Dass Kunst im öffentlichen Raum gegen vermeintlich Wichtigeres wie Schulen, Krankenhäuser oder öffentlichen Nahverkehr ausgespielt wird, ist kein neues Phänomen im öffentlichen Diskurs. So wird beispielsweise auch in der Documenta-Stadt Kassel immer wieder in ähnlichem Muster über Ankäufe von Werken diskutiert. Andererseits wird gerade in der Corona-Pandemie mehr denn je über die Relevanz von Kultur gesprochen. Im Teil-Lockdown mit geschlossenen Museen, Theatern und Kinos sind Draußen-Kunstwerke eine der wenigen Möglichkeiten, überhaupt Kultur "live" zu erleben.
Das Wahlergebnis als Bestätigung
Daniel Zimmermann versichert, dass das Geld für den Geysir nicht an anderer Stelle fehlt. Als er 2009 zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt wurde, war Monheim hochverschuldet. Zimmermann senkte die Gewerbesteuer und machte seine Kommune sozusagen zum "Steuerparadies" für Unternehmen. Heute steht der Politiker einer wohlhabenden Stadt vor. In Monheim ist seit diesem April der ÖPNV für die Einheimischen kostenlos, auch für Kitas zahlt man keine Gebühren.
Die Kunst ist also eine Investition von vielen - jedoch eine, die nicht von allen als notwendig erachtet wird. Dem Bürgermeister ist es nach eigener Aussage wichtig, immer wieder mit kritischen Bürgerinnen und Bürgern in den Austausch zu treten. Durch seine Wiederwahl in diesem Jahr fühlt er sich jedoch darin bestätigt, dass die Mehrheit der Bevölkerung seinen Kurs mitträgt. Auch wenn nicht jedem der Geysir gefalle, sagt er, so gebe es doch ein grundsätzliches Verständnis dafür, dass die Stadt Geld für Kunst ausgibt.
Im Schatten der amüsierten bundesweiten Kopfschüttel-Berichterstattungen über die Kreisel-Fontäne gibt es jedoch noch andere, weit weniger kontroverse Projekte, die beim Monheimer Wettbewerb für Kunstwerke im öffentlichen Raum gewonnen haben. Eine Installation des Kollektivs Inges Idee, die einen Kreisverkehr in einen Plattenspieler mit überdimensionalem Tonarm verwandelt, ist bereits realisiert, ein Projekt des Künstlers Timm Ulrichs mit einem tanzenden Häuserpaar auf einer Verkehrsinsel ist in Planung. Außerdem hat sich der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz der Gänseliesel aus dem Monheimer Stadtwappen angenommen. Seine Skulptur "Leda" - die übrigens noch teurer war als der Geysir - steht seit 2019 an der Rheinpromenade.
Der Geysir zwingt dazu, ihn wahrzunehmen
Dass aus all diesen Werken gerade die Fontäne von Thomas Stricker für überregionale Empörung sorgt, liegt sicher auch daran, dass der Künstler nicht die unantastbare Star-Aura eines "Malerfürsten" Lüpertz vorweisen kann. In vielen Beiträgen wird nicht einmal sein Name genannt. So ein Künstler halt, was der sich wieder ausdenkt. Wenn die knallharte Währung Ruhm wegfällt, wird der Wert von Kunst mehr und mehr zur Verhandlungssache. Außerdem tut der Geysir das, was man von Kunst gern erwartet, was aber von Werken im öffentlichen Raum selten eingelöst wird: Er stört. Er verlangt Geduld und Spontaneität. Er zwingt die Menschen - wenn auch nur alle paar Wochen -, ihn wahrzunehmen.
In Zukunft, so sagt Daniel Zimmermann, will die Stadt Monheim die Bürgerinnen und Bürger bei kulturellen Großprojekten stärker beteiligen. So könnten Akzeptanz geschaffen und mögliche Bedenken im Vorhinein diskutiert werden. Eine der geäußerten Geysir-Sorgen im Video des Bundes der Steuerzahler konnte die Feuerwehr übrigens inzwischen entkräften. Bei einem Notfall-Einsatz darf ein Rettungsfahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn rote Ampeln überfahren. Daran kann auch ein Kunst-Geysir nichts ändern.