Es ist klein, mit der Zeit etwas dunkel geworden und auf den ersten Blick ziemlich unscheinbar: Das Ölgemälde aus der Werkstatt von Jan Brueghel dem Älteren (1568 – 1625) löst bei Kunsthistorikerin Lisa Marie Roemer dennoch Begeisterung aus. Die Mitarbeiterin der Göttinger Universitäts-Kunstsammlung hat mit hartnäckigen Verhandlungen erreicht, dass das vor 46 Jahren gestohlene Gemälde zurück an seinen früheren Platz darf. Das Werk des flämischen Meisters war im vergangenen Jahr wieder aufgetaucht.
Das Gemälde habe einen unschätzbaren ideellen Wert für die Kunstsammlung, sagt deren Leiterin Anne-Katrin Sors. Das um das Jahr 1600 auf Kupfer gemalte Kleinformat der Größe 20,5 mal 23 Zentimeter zeigt die Kreuztragung Christi vor der Kulisse Roms.
Das Werk war am 26. Januar 1973 von zwei jungen Männern bei laufendem Betrieb aus der Sammlung gestohlen worden. Sie hatten sich als Kunststudenten aus Kassel ausgegeben und das Bild in einem unbeobachteten Moment aus dem Rahmen gelöst. Sie ersetzten es durch ein auf Pappe aufgezogenes Kalenderdeckblatt. Damals wurde das Bild noch für ein Originalwerk Brueghels gehalten. Der Schaden wurde auf 60 000 Mark beziffert.
Die Reise des Bildes ist unbekannt
"Die Täter haben das Gemälde offenbar gezielt entwendet", sagt Sors. Denn am Tag vor dem Diebstahl hätten sie sich gründlich über das Bild informiert und die entsprechende Seite aus dem Katalog gerissen. Wer die Täter waren, blieb unklar. Die damaligen Ermittlungen der Polizei hätten keinen Erfolg gehabt. Ob die angeblichen Studenten großen Reibach mit ihrer Beute gemacht haben, ist unbekannt. Es sei auch unklar, wo sich das Ölgemälde befand, bevor es im November vergangenen Jahres wieder auftauchte, berichtet Sors.
Das Bild galt als verschollen, bis ein Sammler es bei der Durchsicht des Angebots eines Münchener Auktionshauses wiederentdeckte. Dort sei das Werk als "flämisch, unbekannt" angeboten worden, sagt Sors. Der Sammler habe dann die Göttinger Kunstsammlung informiert. Als nach einer eingehenden Beweisführung feststand, dass es sich um das vor 46 Jahren gestohlene Werk handelte, habe der frühere Besitzer, der anonym bleiben wolle, das Bild gegen eine geringe Aufwandsentschädigung zurückgegeben. Bei dem Mann soll es sich um einen gewerblichen Verwerter von Hausrat handeln, der das Bild jahrelang in seinem Besitz hatte, ohne zu wissen, woher es stammte.
Für die Universität sei die Rückkehr des Bildes sehr wichtig. Es war Sors zufolge eines der ersten Werke in der vor knapp 250 Jahren gegründeten Kunstsammlung. Es stammt aus dem Nachlass des 1795 verstorbenen Celler Juristen Johann Wilhelm Zschorn. Zum materiellen Wert des Gemäldes machte die Kunstsammlung keine Angaben.