Gerhard Richter öffnet sich in Potsdam

"Immer alles richtig"

Gerhard Richter  beantwortet im Museum Barberini in Potsdam Fragen zu seiner Malerei und zu sich selbst

Bei der ersten Begehung seiner Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam gab es für Gerhard Richter unerwartete Begegnungen. "Es sind schöne Überraschungen dabei", erzählt der Künstler. "Bilder, die ich gar nicht gleich kannte." Er habe sich teilweise gefragt: "Wer hat das eigentlich? Das sieht ja ganz gut aus!"

Gerhard-Richter-Ausstellungen sind auch deshalb schwer zu machen, weil Privatsammler immer seltener bereit sind, ihre wertvollen Gemälde auszuleihen und monatelang mit leeren Wänden zu leben. Der Künstler und viele seiner Werke gehen seit Jahrzehnten getrennte Wege.

Das früheste Bild in der großen Gerhard-Richter-Ausstellung, die am Freitagabend im Museum Barberini in Potsdam eröffnet, stammt aus dem Jahr 1964 und zeigt einen Vorhang, dessen Faltenwurf fast schon eine abstrakte Fläche ist. Nur der Saum und ein kleiner Streifen des Bodens zeigen, dass hier ein Ausschnitt aus der realen Welt abgebildet ist, eine Bühne vielleicht oder ein Festsaal. In der Ausstellung mit dem Titel "Abstraktion" ist es ein wichtiges Werk, weil es zeigt, dass Malerei bei Richter abstrakt und gegenständlich zugleich sein kann. Die Ausstellung ist auch deshalb so gelungen, weil sie noch ungesehene Werke aus bekannten Werkphasen zeigt, und der Künstler für einen Raum ganz neue Arbeiten beigesteuert hat. Eine Selbstverständlichkeit, sagt er, das mache ja auch Spaß. Auch einige der früheren Werke wurden noch nie ausgestellt, sie waren schon zuvor verkauft worden.

Viele der Fragen an den Künstler beziehen sich auf die Gerhard-Richter-Superlative. Was bedeutet es für ihn persönlich, als bedeutendster Maler der Gegenwart zu gelten? "Es ist schwierig auf jeden Fall. Das ist eben so, muss man auch durchstehen." Was ist sein persönliches Lieblingsbild aus allen seinen Werken? "Das möchte ich ungern nennen, das ändert sich mit der Zeit. Genauso, wenn Sie mich nach dem schlechtesten fragen." Wann er gewusst habe, dass er so ein großartiger Maler sein werde? "Es ging immer parallel, ein bisschen Größenwahn, und Verzweiflung. Ich hatte auch immer wieder das Gefühl, es ist alles nichts, alles Pfusch. Und auf der anderen Seite: besser als die anderen."

Dabei erfährt man vielleicht am meisten über Gerhard Richter, wenn man ihn nach der Malerei selbst fragt. Nach den Farbtafeln zum Beispiel. Ein beeindruckendes drei Mal drei Meter großes Bild aus dem Jahr 1973 ("1024 Farben") strahlt bis in die anderen Räume hinein, und verbreitet, so Richter selbst, auch jetzt großen Optimismus. "Das war auch polemisch gegen die Konstruktivisten, die behaupteten, eine Farbe passe nur zu einer anderen. Ich will damit sagen: Jede passt zu jeder Farbe. Immer alles richtig." Er habe sie herausfordern wollen, auch, "weil man nicht will, dass die so viel besser sind."

Das Vorbild für seine abstrakten Werke ist die reale Welt, in der alles stimmt. "Man muss für die Abstrakten dieselben Bedingungen anerkennen, die draußen herrschen, wenn ich aus dem Fenster gucke. Da stimmt immer alles, so muss das bei den Abstrakten auch sein. Die müssen wieder ein Bild ergeben, das in sich stimmt. Nur die Gegend, die dann erscheint, die gibt es nicht. Es sind Bilder von Sachen, die es nicht gibt. Sie könnte es aber geben."

Gerhard Richter nimmt seine Fragesteller ernst, aber hat nichts mehr von der grüblerischen Ernsthaftigkeit, die in früheren Pressekonferenzen oder Interviewsituationen die Kommunikation bremste.

Was, will eine Journalistin wissen, denkt Gerhard Richter beim Malen, und wann weiß er, wann etwas fertig ist? "Meistens täuscht man sich ja", sagt der Künstler. "Man ist erst zufrieden, und denkt am nächsten Tag: Oh Gott, nein. Und dann geht’s weiter." Und dann sagt er den vielleicht entscheidenden Satz, wenn man Gerhard Richter verstehen will: "Es ist kein Denkvorgang in dem Sinne. Es ist malen."

"1024 Farben" (1973) von Gerhard Richter im Museum Barberini