Die Idee ist naheliegend: Beim Anlegen eines Kreisverkehrs entsteht eine Freifläche, auf die wunderbar Werke regionaler und internationaler Künstler gestellt werden können. Skulpturen wollen von allen Seiten betrachtet werden, ein Kreisel als Sockel bietet Rundum-Blickachsen. Es gibt nur ein Problem: Nachdem die EU 2008 eine Richtlinie zum "Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur" mit einem "Merkblatt für die Anlage von Kreisverkehren" herausbrachte, werden Kunstwerke auf Verkehrsinsel nicht mehr nur als Verschönerung gesehen, sondern als Gefahr: An ihnen können Autos zerschellen und sie lenken Fahrer möglicherweise auch noch ab.
Verlässliche Statistiken gibt es nicht, da die Art des Aufprallobjekts zumeist nicht angegeben wird. Als aber vor zehn Jahren ein Auto im baden-württembergischen Hartheim eine Kreiselskulptur rammte und zwei Menschen starben, preschte das Bundesland in Sachen Kreiselkunst-Rückbau voran: 2011 veröffentlichte die Landesregierung einen "Kreiselerlass", der "starre Hindernisse" in außerörtlichen Kreisverkehren verbietet.
Seither wird um den Altbestand gestritten: Auch ohne Extra-Erlass wird in anderen Bundesländern Mittelinselkunst abgebaut und damit regionalen Wahrzeichen zu Leibe gerückt. Bürger wehren sich - und manchmal wachsen sich die Gefechte zwischen Behörden und Kunstfreunden zu schönen Provinzpossen aus.
Kreiselkunst in Ortschaften darf stehenbleiben
Wie im baden-württembergischen Binzen, wo die Kontroverse um eine Monumentalskulptur in einem Gewerbepark zu einer wahren Bürokratiegemetzel geriet: Gutachten und Gegengutachten wurden zum "Dreispitz" erstellt, eine Petition für den Erhalt fand über 5000 Unterstützer, Abgeordnete wurden einbezogen, ein Petitionsausschuss des Landes beschäftigte sich mit dem Fall und selbst die Satiresendung "Extra 3" widmete dem "realen Irrsinn" einen Beitrag.
Die Skulptur darf jetzt bleiben, aber Baden-Württemberg fordert von der rebellische Gemeinde Sicherheitsmaßnahmen zur Unfallverhütung. Rund 166.000 Euro sollen Anpralldämpfer, umlaufendes Kiesbett, Markierungen und Reflektoren kosten. Ob diese Schritte der kürzlich vom örtlichen Finanzamt als "Kulturwert" eingestuften Skulptur gut tun, ist eine andere Frage.
Zerf, Kadelburg, Mahlberg: Der "Spiegel" zählte kürzlich die Namen der Städte auf, in denen Mittelinseln von Kunstwerken "bereinigt" wurden, und es klang ein wenig wie die Stationen eines schon historischen Feldzuges. Immerhin bleibt uns die Kreiselkunst in den Ortschaften erhalten, weil dort eine mögliche Kollision mit dem Kunstwerk weniger Unheil anrichtet. Innerhalb von Städten und Dörfern gilt allerdings das Verbot des "unnützen Hin- und Herfahrens", was ein mehrmaliges Umrunden des Kunstwerks zur gefälligen Betrachtung theoretisch mit Bußgeldstrafe belegt.
Vielleicht hat sich das Genre Kreiselkunst ja doch überlebt und ist wie der Autoverkehr ein Relikt des 20. Jahrhundert.