Interview mit Galerist Arndt

"Galerien wird es immer geben"

Matthias Arndt, herzlichen Glückwunsch zum 20. Jubiläum Ihrer Galerie. Würden Sie heute diesen Beruf wieder wählen?

Herzlichen Dank! Der Kunstmarkt hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten fundamental geändert. 1994 war die klassische Programmgalerie das beste Format, um mit Künstlern zu arbeiten. Auch war Berlin, wo es damals nur eine Handvoll Galerien mit internationalem Ansatz gab, der richtige Ort. Nicht, weil es hier einen Markt gab, sondern weil Berlin in seinem Ringen um eine neue Identität die Kunst brauchte, wie die Künstler einen Händler brauchten. Der Händler und Galerist hat heute neue, weiter gefasste Aufgaben und muss sich den geänderten Bedürfnissen und Rahmenbedingungen anpassen. Heute würde ich in einer Stadt mit bereits 400 Galerien wohl keinen klassischen Galeriebetrieb eröffnen. Ich wäre woanders und würde der Galerie-Arbeit eine andere Form geben. Weil ich mir diese Frage aber schon vor fünf Jahren gestellt und mein Geschäft entsprechend neu strukturiert und ausgerichtet habe, meine ich, dem bereits riesigen Kunstangebot in Berlin eine weitere Facette hinzuzufügen zu können und kann gleichzeitig die neuen Märkte Asiens entwickeln. 

Beschreiben Sie doch bitte genauer, wie sich die Anforderungen an einen Galeristen verändert haben.

Das Umfeld ist heute ein komplett anderes. Zwar war vor allem zeitgenössische Kunst nie gefragter als heute und hatte niemals so eine breite Aufmerksamkeit. Doch Qualität im Programm, Passion und Entdeckertalent sind kein Garant mehr für eine erfolgreiche Arbeit. Der Galerist braucht Unternehmergeist und einen soliden Business-Plan. Außerdem müssen wir Talent im Kunsthandel und ebensoviel Sachverstand im Umgang mit dem Sekundärmarkt aufbringen, wie wir unseren Primärmarkt beherrschen müssen. Und der Galerist muss ein guter Netzwerker sein. Einzelkämpfer können im internationalen Wettbewerb und in der komplexen Verflechtung der Märkte nicht bestehen. Dann sind die Kommunikation und die Märkte extrem schnell geworden und finden global und in mehreren Zeitzonen statt. Die Künstler, unsere wichtigsten Partner streben zudem nach immer mehr Unabhängigkeit und arbeiten mit mehreren Galerien in den Kunstmetropolen. Will ich die Künstler in ihrer Arbeit weiter unterstützen, und das ist mein Anliegen, muss ich ihnen eine erweiterte Palette an Dienstleistungen anbieten. Vor allem für die Künstler aus den neuen Märkten in Asien bin ich nicht nur ihr Händler, sondern auch ihr strategischer Berater. Last but not least, erwarten unsere Kunden, Private, Unternehmen und Museen Überblick und fundierte Kenntnisse des globalen Marktgeschehens. Kurz gesagt: Der Galerist ist heute auch Händler, Agent und Berater. 

Kritiker Jerry Saltz schrieb vom drohenden Tod der Galerieausstellungen. Teilen Sie in seine Befürchtung?

Kommerziell mag das stimmen: Das Geschäft wird zunehmend auf den Messen und Märkten sowie online gemacht. Finanziell gesehen mag der Ausstellungsbetrieb ein "Luxus" sein und ich glaube, das meint Jerry. Aber kurioserweise, je globaler ich denke und arbeite, desto wichtiger wird mir die Arbeit in meinen eigenen Räumen. Unter den 300 Ausstellungen, die ich in den letzten 20 Jahren zu verantworten habe, gibt es nur eine Handvoll, die ich mir aus heutiger Hinsicht hätte sparen können. Die meisten Ausstellungen, ob Hirschhorn, Calle, sogar Gilbert & George, auch die einmaligen Projekte mit Yayoi Kusama und Franz West waren Erstpräsentationen, die sonst gar nicht oder erst Jahre später nach Berlin oder Singapur gekommen wären. Diese Arbeit setze ich in Berlin mit unserem Fokus auf Kunst aus Asien fort. 

Saltz macht mehrere Faktoren aus, die den Galerien zu schaffen machen, zum Beispiel Kunstmessen. Spüren Sie einen Zwang zur Messeteilnahme?

Die bedeutenden Messen, wie die Art Basel in Basel, Miami und Hong Kong, die Frieze, Fiac und andere sind mittlerweile die zentralen Handels- und Kommunikationsplattformen und nehmen heute, wie ein Kurator auf einem Talk auf der Art Basel Hong Kong bemerkte, den Stellenwert ein, den Biennalen vor zehn Jahren innehatten. Aber ein Zwang besteht nicht. Die Abwägung welche Teilnahme wo und wann Sinn für das Geschäft und das Vorankommen der Künstler macht, müssen die Galerien treffen. 

Die Messen mögen die neuen Biennalen sein, aber Biennalen und Mega-Ausstellungen wachsen dennoch weiter. Künstler verschlingen dafür riesige Budgets an Produktions-, Transport- und Versicherungskosten. Kann das für mittelgroße Galerien bedrohlich werden? 

Nicht wirklich, denn institutionelle Ausstellungen und Biennalen haben immer Vorrang. Mit den Mitteln, die wir sonst in die Produktion von Galerie-Ausstellungen investieren, unterstützen wir die institutionellen Ausstellungen und erhöhen so den Wirkungsradius der Künstler und ihrer Werke. 

Seit 15 Jahren verkaufen die großen Auktionshäuser auch Gegenwartskunst. Wie hat das die Galerien verändert? 

Fundamental! Auktionspreise bestimmen vor allem in weiten Teilen Asiens, wo es keine öffentlichen Institutionen und keine unabhängige Kunstkritik gibt, die Wertschätzung der Künstler. Wer in den Auktionen auftaucht und sich bewährt, wird in seinem Land und Marktumfeld angenommen und geschätzt und gekauft. Andere fallen durch das Raster. Der Trend setzt sich hier aber auch im Westen fort. Der Auktionsmarkt, vor 25 Jahren noch von Händlern dominiert und im Wesentlichen auf Moderne und Alte Meister fokussiert, dreht sich heute um die junge Moderne, Post-War und vor allem die Zeitgenossen und beschleunigt die Märkte enorm. Entsprechend tritt eine neue Generation von Investoren und "Händler-Sammlern", die sogenannten "Flippers", auf den Plan. Herzblut und Begeisterung für Inhalte wird am Markt immer seltener. Dennoch war das Interesse an Kunst nie größer und ich sehe das weiterhin positiv. Es ist unsere Aufgabe die richtigen Kunden auszuwählen, die nicht gleich mit Aufpreis auf Auktionen verkaufen. 

Heute wird viel über JPEG-Dateien und Sammler-Apps verkauft. Sehen Sie das als Problem?

Das ist ein Segen! Grob geschätzt 60 bis 70 Prozent der Verkäufe können wir über die gezielte und proaktive Kommunikation mittels neuer Medien anbahnen. Das ist eine Riesenerleichterung unseres Geschäftes und erweitert den Wirkungsradius, vor allem für mich, der ich zwischen Berlin, Asien-Pazifik und Amerika arbeite. Wir werden, zumindest virtuell, standortunabhängig. Die Ausstellungen wirken dabei langfristig vor Ort. 

Viele Galeristen beklagen, dass größere Galerie-Imperien ihre Künstler schlucken. Wie hält man Künstler?

Durch gute Arbeit und das bedeutet eine exzellente Performance im Verkauf, pünktliche Abrechnung und Bezahlung, klare und vertrauensvolle Kommunikation mit dem Künstler. Und indem man mit den Künstlern wächst. Die wenigen Zusammenarbeiten mit Künstlern, die über die zwei Jahrzehnte auseinandergingen scheiterten eher an persönlichen oder programmatischen Differenzen oder an der Chemie, die nicht stimmte.

Spüren Sie also einen Drang zum Wachstum?

Das Wachsen ist eher eine Notwendigkeit, um die Künstler begleiten und um eine kritische Masse am Markt darstellen zu können. Ich bin über die 20 Jahre stetig gewachsen: Die ersten 15 Jahre über die Infrastruktur, bis ich mit drei Standorten, 30 Mitarbeitern und 2000 Quadratmetern Ausstellungsflächen zum Manager meiner Unternehmen wurde. Als ich schließlich den aufregendsten Teil, die inhaltliche Arbeit und die Beziehung zu den Künstlern und Kunden hätte delegieren müssen, habe ich die Struktur und das Format verändert. Es folgte ein Wachstum in die Qualität, ein neues Unternehmenskonzept und neue Inhaltlichkeit oder inhaltliche Ausrichtung. So konnten wir in den letzten Jahren auch wieder infrastrukturell wachsen: Zu den Berliner Räumen mit eigenem Team kam die Galerie in Singapur hinzu, die wir personell erweitern und deren Fläche wir zum Herbst auf die Größe der Berliner Räume verdreifachen werden. 

Wie sehen Sie die Zukunft von Galerien?

Galerien wird es immer geben, solange die Künstler in Galerien ausstellen wollen, die Galeristen ihre Arbeit auf ein solides finanzielles Fundament stellen können und über Galerien Kunst gekauft wird. Ist dieses Konzept nicht mehr tragfähig, muss es neu erfunden werden. Ich bin ja nicht der Einzige, der in dieser Richtung neue Wege wagt.

In Berlin haben Sie viel bewegt, wurden aber von manchen Kollegen in der deutschen Hauptstadt offenbar nicht so richtig angenommen. Schauen Sie auch ein wenig verbittert auf die letzten 20 Jahren zurück?

Von Verbitterung keine Spur und ich blicke nicht zurück, sondern nur nach vorn. Im Rückblick aber habe ich Berlin genauso viel zu verdanken, wie Berlin durch meine Arbeit an Input, Engagement und Herzblut erhalten hat. Nirgendwo anders hätte ich mein Geschäft damals beginnen und so entwickeln können. Insofern bleiben meine persönliche Geschichte und meine ersten Erfolge immer eng mit Berlin verbunden. Aber ich habe mich nie nur aus Berlin allein heraus definiert und früh schon über die Berliner Perspektive hinaus gedacht und das Programm international entwickelt und positioniert. Wie in den letzten Jahren die Erweiterung nach Asien, von wo ich neue Positionen nach Berlin bringe, um sie von hier aus wieder international zu vermitteln. Wie meine Kollegen meine Arbeit und meinen Ansatz beurteilen, das müssten Sie die Kollegen fragen. Wenn sie sich tatsächlich inhaltlich mit meiner Arbeit auseinandersetzen, dann freut mich das natürlich. Vielleicht unterstellt mir so mancher aufgrund meiner Umtriebigkeit in den in Berlin kaum bekannten neuen Märkten Südostasiens und im Pazifik auch Desinteresse an der Berliner Kunstszene. Das Gegenteil ist der Fall: Ich schätze und respektiere die Arbeit und das Wirken meiner Kollegen in Berlin sehr. Doch betreibe ich meine Arbeit unabhängig von dem Votum meiner Kollegen oder des breiten Publikums. Die Erfahrung zeigt, dass man es niemals allen Recht machen kann. So freue ich mich über positives Feedback und den finanziellen Erfolg meiner Arbeit. Ansonsten folge ich meiner Mission der stetigen Erneuerung, die künstlerischen Horizonte in Berlin und Singapur zu erweitern, die mir von den Künstlern übertragenen Mandate erfolgreich zu erfüllen und in Berlin und anderswo die besten Werke zu zeigen und zu vermitteln. Das ist es, was mich antreibt, mir meine Leidenschaft für die Kunst und meine Arbeit im Kunstbetrieb bewahrt und mir erlaubt meine Galerie auch nach 20 Jahren erfolgreich zu führen. 

Aktuelle Ausstellungen:
ARNDT Berlin: Yang Jiechang "Die Rechnung bitte", bis 28. Juni 2014
ARNDT Singapur: Jumaldi Alfi "Mooi Indie", bis 5. Juli 
Lesen Sie in dieser Interview-Reihe auch das Gespräch mit Galerist Jörg Johnen