Wer im November Kunst erleben will, dem bleiben nicht viele Möglichkeiten: Kunst am Bau, Kunst im öffentlichen Raum, Street-Art, Vorbesichtigungen bei Auktionshäusern. Im gerade eröffneten Hauptstadtflughafen sind einige Werke zu sehen, vielleicht mal am Wochenende dahin gehen, statt ins Museum. Doch wer sich Ausstellungen anschauen will und nicht nur Einzelwerke hier und da, dem bleiben jetzt nur Online-Shows (deren Appeal sich vielen Leuten nicht erschließt) und – kommerzielle Kunstgalerien.
Es ist ein bisschen lustig, dass Galerien immer so sehr darum kämpfen, als Kulturorte anerkannt zu werden, um entsprechende Unterstützung zu bekommen, dass ihnen aber jetzt der Einzelhandel-Status dazu verhilft, diesen November offen zu bleiben. Während also Museen, Kunsthallen, Kunstvereine und Projekträume ihre oft über Jahre vorbereiteten Ausstellungen vor ihrem Publikum wieder verbergen müssen, sind die Galerien weiter für uns da – mit Ausstellungen und ohne Kaufzwang.
Um die Galerien gibt es dabei allerdings immer wieder Verwirrung. Während in vielen Corona-Verordnungen von Bund und Ländern zwar Friseure, Nagelstudios und Bordelle ausdrücklich genannt werden, kommen die (zugegebenermaßen viel selteneren) Galerien darin kaum vor. Und wenn doch, dann in der altmodischen Bedeutung im Sinne von Nationalgalerie, Städtischer Galerie oder Kommunaler Galerie.
So hieß es etwa in der nordrhein-westfälischen Corona-Schutzverordnung vergangenen Donnerstag, dass "der Betrieb von Museen, Kunstausstellungen, Galerien, Schlössern, Burgen, Gedenkstätten und ähnlichen Einrichtungen" bis zum 30. November unzulässig seien. Auf eine Monopol-Nachfrage antwortete die Staatskanzlei dann aber: "Die kommerzielle Galerie kann, soweit es sich um den Verkauf dreht, öffnen. Sie unterfallen der Regelung des § 11 Coronaschutzverordnung. Besondere Veranstaltungen in der Galerie sind jedoch kein normaler Verkauf und damit unzulässig."
Eine gute Zeit, Klischees zu überprüfen
Es wird also keine Eröffnungen oder Performances geben, auf die Galerie als sozialen, lebendigen Ort müssen wir noch eine Weile verzichten. Aber immerhin: Die meisten Ausstellungen der circa 700 Galerien in Deutschland lassen sich weiter ohne Voranmeldung besichtigen, solange pro Besucher oder Besucherin zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen, und da die Galerien nach den Eröffnungen selten wirklich voll sind, sollte das kein Problem sein.
Nur warum sind die Galerien trotz freien Eintritts so selten wirklich gut besucht? Vielleicht gelten sie fälschlicherweise immer noch als Tummelplatz von Reichen oder hochnäsiger Kuratoren, einschüchternd, wenn man nichts kaufen will oder kann. Doch auch wenn hier tatsächlich einige Konventionen und Codes gelten – viele landläufige Vorstellungen von Galerien sind bloße Klischees.
Jetzt ist doch eine gute Zeit, diese Klischees zu überprüfen und (unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen) Galerien zu besuchen. Hier können Sie Kunst entdecken, die erst in einiger Zeit, manchmal Jahre später, in den Museen ankommt. Durch den Wegfall von Kunstmessen wie der Art Cologne im November haben Galeristinnen und Galeristen gerade mehr Zeit für Vermittlung. Versuchen Sie, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Fragen oder Behauptungen hinter ihren Macs hervorzulocken. Das sind Kommunikationsprofis, und sie werden dafür bezahlt, sich um Sie zu kümmern.
Und vielleicht haben Sie, wenn Sie jetzt wie so viele Menschen gerade Ihre Wohnung für die weiteren Lockdowns schön machen, auch ein bisschen Geld für Kunst übrig, statt es für noch einen Designer-Hocker auszugeben. Künstlerinnen und Künstler – und mit ihnen ihre Galerien – haben gerade jede Unterstützung nötig.