Frieze-Woche in New York

"In den USA ist Kunst immer noch etwas Freakiges"

Selfies mit Carl Andre, Mikroben von Walter De Maria und eine gut gelaunte Tracey Emin: Silke Hohmann war für unseren "Kunst und Leben"-Blog zur Frieze-Woche in New York und Beacon unterwegs

Randalls Island sei doch überhaupt keine Adresse, beschwert sich der Taxifahrer am Flughafen in Newark. Dabei schlägt seit 2014 die Kunstmesse Frieze New York ihr großes weißes Zelt auf der Parkinsel zwischen Manhattan und Queens auf. An der Südspitze weht von weitem sichtbar eine schwarze Flagge von Adam Pendleton: "BLACK LIVES MATTER" steht auf der "Black Dada Flag", der Flaggenmast ist in einen Ort gerammt, der in Schifffahrtskarten bis in die 80er-Jahre noch "Negro Point" hieß.

Der Auftakt im Außenbereich ist kühner als das Messegeschehen sonst: Eine feministische Performance-Prozession von Lara Schnitger propagiert "Love your Boobs", was nicht so richtig aufzustacheln vermag.

Schon eher die Koje von Xavier Hufkens mit einer entschlossenen Einzelpräsentation von Tracey Emins neuen großformatigen Gemälden: "You make made me feel like this" steht in ihrer charakteristischen Handschrift in Leuchtbuchstaben über den kraftvollen großen Leinwänden, auf denen sich angedeutete Frauenkörper in Schmerz oder Lust verrenken. "Tracey Emin hat ein paar neue Bilder bei Xavier Hufkens, die Cy Twombly, Julian Schnabel and Georg Baselitz ineinandermischen, aber eigentlich überraschend gut sind", schreibt die Kritikerin der "New York Times", Roberta Smith, darüber.

Noch besser wäre sogar, ohne die männlichen Meistermaler als Referenzen auszukommen, findet die deutsche Malerin Maria Zerres, die ich nach der Messe in ihrem New Yorker Atelier in Tribeca besuche. An der Wand hängt eine wunderschöne abstrakte Landschaft mit silbernem Himmel, nicht alle Flächen sind zugemalt. Sie habe es zur Probe aufgehängt, sagt die Künstlerin, um zu sehen, ob es schon fertig sei. Nach einem langen Gespräch über Malerei und Künstlerinnen sind wir uns einig: fertig.

Eine der besten feministisch-politischen Arbeiten auf der Messe kommt übrigens von Richard Prince: eine Poster-Edition mit den übereinandergelegten Gesichtern von 18 Frauen, die Donald Trump sexuelle Belästigung vorwerfen, plus dem von Stormy Daniels, der Pornodarstellerin, mit der er eine Affäre hatte. Das auffällige Poster hängt an einer Wand, die die Galerie Marian Goodman der Aktivistengruppe "Downtown for Democracy" spendiert hat, und trägt den doppelbödigen Titel "18 and Stormy". Eine Version dieses Motivs auf Leinwand hat Prince für 130.000 US-Dollar verkauft, den Betrag, den Stormy Daniels von Trumps Anwalt vor der Präsidentschaftswahl als Schweigegeld erhielt. Der Erlös geht an die Gruppe, die in schlauen Aktionen die Wiederwahl Trumps verhindern will. Am selben Abend gibt Trump die Zahlungen zu.

Auch in der Dia Art Foundation, die in Beacon ein einzigartiges Museum für die Minimal- und Land-Art der 60er-und 70er-Jahre unterhält, besinnt man sich auf die von der Kunstgeschichte übersehenen Frauen. Die Direktorin Jessica Morgan erzählt in ihrem Büro in Manhattan, wie sie in einer Gruppenausstellung in San Diego erstmals auf die Künstlerin Mary Corse aufmerksam wurde. Jetzt hat das Dia Beacon Werke von ihr und von Dorothea Rockburne in die Sammlung aufgenommen.

Dauerhafte Präsentationen von Kunstwerken sind die große Mission von Heiner Friedrich, dem Gründer des Dia. Seit vierzig Jahren besteht dank seiner großzügigen Setzungen der New York "Earth Room" von Walter De Maria im zweiten Stock in der Wooster Street. Ein großer Raum mit den für Soho charakteristischen Industriesäulen, bis auf Kniehöhe gefüllt mit schwerer, feuchter Erde. Der dunkle, würdevolle Raum ist unendlich fotogen, doch De Maria verbat sich das Zirkulieren fremder Bilder seiner Werke. No Photos. Bill Dilworth, der hier täglich die Besucher empfängt, hat seine eigene Theorie über den Austausch der Mikroben zwischen Werk und Betrachter.

Auf der Spring Gala des Dia Beacon hat Tracey Emin beste Laune. Sie habe bisher in den USA noch nie so viele positive Reaktionen auf ihr Werk bekommen. Der zweimalige Documenta-Teilnehmer George Trakas hat hier draußen einen Aussichtspunkt im Hudson  installiert, gerade arbeitet er an einer U-Bahn-Station in Brooklyn. Carl Andre wird ständig um Selfies gebeten, er lässt sie über sich ergehen und beglückwünscht mich zur großen Offenheit der Deutschen für Kunst. "In den USA ist Kunst immer noch etwas Freakiges."

Bevor der Zug zurück nach Manhattan geht, schnell noch mal zurück in den großen Raum mit der Gemäldeserie "Times of the Day" von Blinky Palermo, und einmal um die großen geometrischen Hohlformen herumgehen, die Michael Heizer hier tief in den Boden gefräst hat. Auf dem Rückweg zum Flughafen freue ich mich über die Walter-De-Maria-Mikroben, die ich heimlich mit nach Deutschland nehme.