Kunst mit der Lauf-App

Frida auf der Spur

Ein Jogger zeichnet mit einer Lauf-App auf seinen Routen bekannte Ikonen nach. Zuletzt formte der Amerikaner so das Gesicht Frida Kahlos auf dem Stadtplan von San Francisco

Wie mit einem dicken Wollfaden gelegt schlängelt sich die rote Spur durch die Straßen San Franciscos. Unten kantig, oben fast schon organisch, formt sich nach und nach das Bildnis der Frida Kahlo, die sich vor allem durch ihren floralen Haarschmuck und ihre markante Augenbraue zu erkennen gibt. Der US-Amerikaner Lenny Maughan zeichnet die vorab ausführlich geplanten Routen seiner Jogging-Ausflüge durch seine Bewegungen in einer Lauf-App nach.

Knapp 49 Kilometer brachte der sportliche Künstler hinter sich, um das Gesicht der mexikanischen Malerin auf dem Stadtplan von San Francisco zu verewigen. Und sie ist nicht das erste Motiv, das er auf diesem Wege erschloss. Zuvor zeichnete er bereits bekannte Symbole wie Batman, den Staat Kalifornien, eine Katze und das Raumschiff "Enterprise" durch die Kraft seiner Füße und trainierten Beine (San Francisco ist nun mal sehr hügelig).

Ein verschwitzter Flaneur

Das Gehen durch die Stadt hat in der Kunst eine lange Tradition. Zum Fin de Siècle bewegte sich der Flâneur umtriebig durch die Straßen der neuen Metropolen, entdeckte die Kaufhäuser, Promenaden und Arkaden für sich. Als passiver Beobachter verfolgte er das rege Treiben auf den Wegen und schrieb Texte über seine Begegnungen und Eindrücke. Walter Benjamin war so ein Flâneur mit viel Zeit und Privilegien, um diese Praxis zu verfolgen (über sein weibliches Pendant, die Flâneuse, wird seit Kurzem intensiv gesprochen, wozu auch die New Yorker Autorin Lauren Elkin beitrug, die 2016 das gleichnamige Buch veröffentlichte).

Etwas kritischer, doch meist ebenso privilegiert, nutzen die Künstlergruppen der sogenannten Avantgarden wie Fluxus, Dada, Situationistische Internationale und Wiener Aktionismus die Weiten und Dichten der Städte, um mit aktivistischen Aktionen und Performances auf kapitalistische Tendenzen im öffentlichen Raum aufmerksam zu machen, indem sie sich Straßen und Plätze aneigneten. In ähnlicher Manier, nur weniger privilegiert, kämpften die Künstlerinnen der "Feministischen Avantgarde", darunter Valie Export, seit Ende der 60er-Jahre öffentlichkeitswirksam für Gleichberechtigung.

Joggen als künstlerische Praxis

Lenny Maughan flaniert nicht, er geht nicht: Er rennt. Sein Suchen und Finden der Frida Kahlo ist eine fußläufige Visualiserung der einem Stadtplanung inhärenten künstlerischen Potentiale. Ähnlich der Situationisten, die Pariser Stadtpläne dekonstruierten und daraus neue psychogeografische Kartensysteme entwickelten, ist auch Maughans Ansatz ein spielerischer Versuch, um die architektonisch durchgeplante Stadt neu zu denken und Möglichkeiten aufzuzeigen, um das Gehen oder Joggen an sich als künstlerische Praxis zu verstehen, die Spuren und Eindrücke hinterlassen kann.