Im Januar 2012 lehnte sich die damals 14-jährige Frida Lisa Carstensen Jersø an ein rostiges Geländer der Königin-Louise-Brücke in Kopenhagen. Das Metall brach, sie stürzte viereinhalb Meter in die Tiefe, schlug auf dem Asphalt auf und brach sich den Rücken. Seitdem ist sie querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen.
Vier Jahre später wurde bei ihr zusätzlich eine Zellanomalie diagnostiziert. Das führte dazu, dass Jersø den Großteil ihres bisherigen Erwachsenenlebens in Krankenhäusern verbracht hat und sich mehr als 100 Operationen sowie zahlreichen medizinischen Behandlungen und Strahlentherapien unterziehen musste.
So beginnt auch ihr Fotobuch "Frida Forever". Das erste Foto zeigt eine Nahaufnahme von Jersøs Gesicht während einer ihrer vielen Operationen: Die Augen sind zugeklebt, eine Bandage liegt um ihren Kopf, zwei Schläuche führen in ihren Mund. Danach sehen wir zwei fast identische Porträts von ihr – wie sie, vermutlich frisch geduscht, mit nassen Haaren und einem Badetuch um den Körper posiert: einmal direkt in die Kamera blickend, einmal mit geschlossenen Augen und leicht abgewandtem Kopf. Auf der nächsten Doppelseite wieder zwei ähnliche Porträts – dieses Mal liegt sie im Krankenhausbett und trägt einen Sauerstoffschlauch in der Nase.
Die Fotografie ist ihr ständiger Begleiter
Das Buch ist ein ständiger Wechsel zwischen Jersøs Leben mit ihrer Krankheit und ihren Einschränkungen auf der einen Seite – und der Lebenslust sowie dem vermeintlich ganz normalen Alltag einer jungen Frau auf der anderen. Einer, die mit ihren Freundinnen und Freunden zusammen ist, feiert, Ausflüge macht, Schach spielt, herumalbert oder sich von einer Freundin schminken lässt. Die Fotografie ist dabei ihr ständiger Begleiter, ein Reisegefährte, ein Tagebuch und ein Instrument der Selbstermächtigung zugleich. Sie ermöglicht es Jersø nicht nur, ihr Leben festzuhalten, sondern auch, sich uns mitzuteilen.
In Situationen, in denen sie nicht selbst fotografieren konnte (weil sie beispielsweise gerade operiert wurde), übernahm ihr Vater die Kamera. Für ein Selbstporträt inszeniert sie sich auf der Bettkante sitzend, mit nackten, überschlagenen Beinen und dem Rollstuhl, der links noch ins Bild ragt. Selbstbewusst, aber auch etwas trotzig schaut sie uns an. Sie hält den Selbstauslöser in der Hand, als wolle sie das Unwohlsein der Betrachter beim Anblick ihres Körpers herausfordern. Der ist nicht nur voller Narben, sondern auch voller Tätowierungen. Als würde sie jedem Schicksalsschlag eine selbstbestimmte Markierung entgegensetzen wollen.
Dabei geht Jersø bei der Gestaltung der Bildfolge äußerst feinfühlig, intelligent und mitunter poetisch vor. Sie reiht nicht einfach Bilder mit ähnlichen Motiven oder Themen aneinander, sondern sucht nach abstrakten Gemeinsamkeiten in ganz unterschiedlichen Szenen – verbunden durch die große Klammer, die sie selbst ist.
Links schaut sie einem Mädchen dabei zu, wie es auf einen Baum klettert; rechts geht ihr Blick stattdessen vom Krankenbett aus hoch zum Infusionsständer. Links sehen wir Jersø im Bett liegen, rechts auf einer Massageliege mit Gesichtsmaske und Gurkenscheiben auf den Augen. Links baumeln ihre nackten Beine über eine Steilklippe, rechts sehen wir ihre Beine aus exakt der gleichen Perspektive – nur diesmal im Krankenhausbett. Unterschiedlicher könnten die Situationen kaum sein, und doch gehören sie zusammen. "Frida Forever" ist kein bloßes Hin und Her von erlebten Momenten, sondern unterstreicht die Ambivalenzen und Gleichzeitigkeiten eines Lebens.