Am Wochenende begehen die Frankfurter Galerien zum 27. Mal ihren Saisonstart – und auch wenn der Lokführerstreik die Anfahrt für externe Besucherinnen und Besucher erschwert, können wir glücklich sein, dass das beliebte Format im zweiten Coronajahr stattfinden kann. Ergänzt wird der Galerienrundgang bereits zum dritten Mal durch das Programm der Frankfurt Art Experience. ''Ich wollte etwas tun, das auch kleinere Sammler und Sammlerinnen dazu bringt, diese Angst vor Galerien zu verlieren'', erklärt Tyrown Vincent, Direktor und Gründer der Frankfurt Art Experience. Vincent ist selbst ''Kleinsammler'', er liebt die Kunst und lebt mit ihr. Regelmäßig lädt er in seine Wohnung ein, um Arbeiten von Künstlern wie Paris Giachoustidis, Maximilian Prüfer oder auch der Fotografin Zuza Krajewska zu präsentieren.
Seit 2019 ist der älteste Galerienrundgang Deutschlands nun Teil des neuen Kunstwochenendes, gefördert durch Mittel der Tourismusabgabe der Stadt Frankfurt, vergeben durch das Dezernat für Wirtschaft und zusätzlich unterstützt durch das Land Hessen. Das soll Besucher und Besucherinnen auch von außerhalb neugierig auf die Frankfurter Galerien machen. Die finden sich heute in alle Himmelsrichtungen verteilt, wobei der Schwerpunkt klar in der Innenstadt liegt.
Hier zeigt zum Beispiel die Galerie Maurer eine neue Werkreihe von Friederike Walter, die sich in ihren Bildern mit Raum, Licht und Materialität auseinandersetzt.
Futuristisch-flirrend wird es in der Galerie Leuenroth, wo Susanne Wurlitzer malerische Idyllen als Gegenentwurf zur Natur präsentiert. Die Galerie Rothamel zeigt neue Arbeiten von Ellen Akimoto, die als Meisterschülerin bei Annette Schröter in Leipzig studiert hat.
Bei Lachenmann Art gehen Agnes Lammert, Franziska Klotz, Jirka Pfahl und Ronny Szillo der Frage nach, was im Falle eines dystopischen Ereignisses von der künstlerischen Existenz und ihren Werken bleibt (in einer weiteren Schau kann man außerdem den finnischen Maler Jukka Rusanen entdecken).
In der Galerie Anita Beckers wird gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich erst einmal eine Arbeitshypothese aufgestellt: Lässt sich der Maler Armin Boehm in der Tradition von Dix, Ensor bis Beckmann verorten – und schreibt er deren Malerei mit den Bildern der Gegenwart fort?
Philipp Pflug Contemporary zeigt Collagen von John Stezaker, der 2012 mit dem Deutsche Börse Photography Prize ausgezeichnet wurde.
Und in der Galerie von Christel Wagner entwirft Hartmut Kiewert malerische Utopien zur Mensch-Tier-Beziehung. Bärbel Grässlin zeigt eine Soloausstellung von Jana Schröder, die bei Albert Oehlen studiert hat und zuletzt 2020 in der Gruppenausstellung ''Echo Chambers'' in der Schäfergasse zu sehen war.
An der Kunstakademie Düsseldorf studierte und später lehrte auch die Künstlerin Rissa, die nach längerer Schaffenspause nun bei DIE Galerie im Westend eine frohe Botschaft verkünden kann: ''Ich male wieder'' heißt ihre Ausstellung zum Saisonstart.
Auf der anderen Seite des Mains zeigt Peter Sillem fotografische Dokumente des floralen Zerfalls von Walter Schels.
Ebenfalls in Sachsenhausen befindet sich die Galerie Feld + Haus, die Videoarbeiten, Fotografie und Performances von Jen DeNike präsentiert.
Neue Fotoarbeiten von James Tunks, der schon Weltraumgalaxien aus Kaffeepulver und Aspirin inszeniert hat, gibt es im Ostend in der Galerie Wilma Tolksdorf zu sehen. Seit vielen Jahren lohnt außerdem ein Besuch bei den Galerien im Bahnhofsviertel. Zum Beispiel bei Bernhard Knaus Fine Art, der zum Saisonstart neue Arbeiten von Myriam Holme zeigt, oder bei Schierke Seinecke, wo in David Borgmanns Malerei gigantische Wassermassen auf spektakuläre Bergformationen treffen.
Der Saisonstart bleibt ein eigenständiges Projekt der Interessengemeinschaft der Frankfurter Galerien, die Frankfurt Art Experience bildet ''das perfekte Umfeld'', findet Tyrown Vincent. Dazu gehören Walks, die auf verschiedenen Routen an die Standorte im gesamten Stadtgebiet führen, und Talks, die Akteure aus Frankfurt und von außerhalb zusammenbringen. Zum Auftakt am Samstag geht es hier zum Beispiel um den Restart im Kunstmarkt, um Veränderungen durch die Krise und um eine Bestandsaufnahme: Was hat das ''Neustart Kultur''-Programm der Bundesregierung bewirkt?
Als Gesprächspartner diskutieren unter anderem die Frankfurter Galeristen Anita Beckers, Kai Middendorff und Peter Sillem. Neu in diesem Jahr sind die One-on-One-Talks mit einzelnen Gesprächspartnern. Hier werden zum Beispiel Brigitte Franzen, neue Direktorin am Senckenberg Museum, und Sakhile Matlhare, die im Frankfurter Westend eine Galerie für zeitgenössische afrikanische Kunst betreibt, zu Gast sein.
Tyrown Vincent kann sich gut vorstellen, dass die Frankfurt Art Experience in den kommenden Jahren noch ein paar Schritte weiter geht. ''Frankfurt hat schon sehr viel Energie und Potenzial. Das ist unser Grundstock, das kann noch sexyer werden!'' Als er neulich Max Hollein auf Frankfurt-Besuch über den Weg lief, dem ehemaligen Direktor von Städel Museum, Schirn Kunsthalle sowie Liebieghaus und heutigem Direktor des New Yorker Metropolitan Museum of Art, habe der jedenfalls eine eindeutige Botschaft für ihn gehabt: ''Weitermachen, weitermachen, weitermachen – Frankfurt braucht das!''.