Kontroverse Benetton-Kampagnen

Fotograf Oliviero Toscani stirbt mit 82 Jahren

Der italienische Star-Fotograf Oliviero Toscani, der durch Werbekampagnen für die Modemarke Benetton bekannt wurde, ist tot 

Er starb im Alter von 82 Jahren nach schwerer Krankheit am Montag, wie die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf Toscanis Familie berichtete. Berühmt wurde Toscani unter anderem durch die Gestaltung diverser Werbekampagnen für den Modekonzern Benetton, die immer wieder kontroverse Debatten auslösten. Dazu gehörten unter anderem ein Motiv, auf dem sich ein Priester und eine Nonne küssen, oder eine Szene, in der eine Familie am Bett eines sterbenden Aids-Kranken versammelt ist. 

Im Monopol-Interview sagte Toscani 2010, dass die moralische Beurteilung seiner Arbeit bei den Betrachtern liege, nicht bei ihm selbst. "Fragen Sie bitte schön nicht mich, sondern weiterhin sich selbst. Ergründen Sie Ihre Moral. Meine Motive im Kontext einer Marke wären für Ihre Debatte doch nur ein Vorwand für Sie, sich nicht mit dem Inhalt auseinandersetzen zu müssen." Sein Image als Skandal-Fotograf habe ihn nie beschäftigt, sagte er im selben Gespräch: "Wenn ich mich je darum gekümmert hätte, wäre mein Leben ganz anders verlaufen. Mir ist mein Image egal. Ich bin der einzige Maßstab in meinem Leben."

Toscani, der 1942 in Mailand geboren wurde, sah sich selbst als Künstler, der auch in der Werbung arbeitete - für ihn die interessanteste Kombination in seinem Medium Fotografie. Sein Handwerk lernte er an der Kunstgewerbeschule in Zürich, danach arbeitete er für verschiedene Magazine und lernte in New York auch Andy Warhol kennen, den er als Vorbild bezeichnete. 1982 wurde er Art Director der damals einflussreichen italienischen Modemarke Benetton. Den Slogan "United Colors of Benetton" machte er zum Programm. Die Bilder von Menschen aller Hautfarben, von Paaren gleich welcher Geschlechter, fanden sich nahezu überall auf der Welt in den Illustrierten. Überlebensgroß hingen die Plakate in den Fußgängerzonen. An Toscani kam damals kaum jemand vorbei. Manche hielten ihn für einen der besten Fürsprecher eines Lebens in Vielfalt. Andere sahen in ihm einen Zyniker. Mehrfach wurde ihm auch vorgeworfen, mit der Auswahl seiner Motive - Magersüchtige, Kranke, zum Tode verurteilte Häftlinge - pietätlos zu agieren und vom Elend anderer zu profitieren. Nach einer kurzen Rückkehr beendete der Konzern 2020 die Zusammenarbeit mit Toscani.

"Sein Genie wird uns weiter inspirieren"

Oliviero habe "seine nächste Reise angetreten", hieß es nun in der Mitteilung seiner Familie. Der Präsident der Toskana, in der Toscani zuletzt lebte, würdigte den Fotografen als "Meister der Fotografie und Freigeist". "Sein Genie wird uns weiterhin inspirieren", schrieb Eugenio Giani in den sozialen Medien.

Im August offenbarte Toscani in einem Interview im "Corriere della Sera", an Amyloidose zu leiden - einer seltenen Krankheit, die zu Organversagen führt. "Praktisch lagern sich Proteine an bestimmten lebenswichtigen Punkten ab und blockieren den Körper. Und man stirbt. Es gibt keine Heilung", erklärte der Fotograf. Auch bei dieser Auskunft über sich selbst setzte er auf die Macht von Bildern. Die zugehörigen Fotos zum Artikel zeigten einen alten Mann an Krücken, schlecht rasiert, schlank geworden, kaum noch Haare auf dem Kopf, die Hose in den Kniekehlen, das T-Shirt zwei Nummern zu groß. Für den Künstler, dessen Vater selbst für den "Corriere" fotografiert hatte, waren die Aufnahmen vom Krankenlager gewissermaßen der logische Schlusspunkt seines Lebens.

Seine Werke waren auch immer wieder in internationalen Ausstellungen zu sehen. Zuletzt zeigte das Museum für Gestaltung Zürich bis zum 5. Januar die Schau "Oliviero Toscani: Fotografie und Provokation".