"Wäre überall etwas, dann gäbe es kein Loch, aber auch keine Philosophie, und erst recht keine Religion, als welche aus dem Loch kommt", schrieb Kurt Tucholsky 1931 in seiner Satire "Zur soziologischen Psychologie der Löcher". Über das Loch im Allgemeinen und im Besonderen kann man lange nachdenken. Was für ein Effekt muss es also auf die Millionen Gamer-Hirne gehabt haben, als am Sonntagabend auf den Konsolen, PCs und Mobilgeräten die fantastische Welt von "Fortnite: Battle Royale" zu einem schwarzen Loch zusammenschrumpfte!
Wer danach die Website besuchte, wurde ohne Erklärung auf eine Live-Übertragung weitergeleitet. Zwischenzeitlich starrten sechs Millionen zeitgleich das funkelnde Loch an, samt Nichtloch drumherum ("Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nichtlochs: Loch allein kommt nicht vor", so Tucholsky). Eltern sahen nach langer Zeit ihre Kinder wieder, vielleicht redete man miteinander, vielleicht über das Loch, das Nichtloch und die ganz großen Fragen des Lebens.
Der geniale Marketinggag des Publishers Epic, der offenbar auch zu Wartungsarbeiten genutzt wurde, ist nur das letzte Loch, aus dem es frech pfeift, in einer ganzen Revue von pfeifenden Löchern, die gerade an uns vorbeiziehen: Im April veröffentliche die Nasa das erste Foto eines schwarzen Loches, und in aktuellen Serien wie "Dark" und Filmen wie "High Life" verschwinden ganze Erzählstränge in lochigen Portalen. Und natürlich gibt es dafür auch künstlerische Vorbilder, vor allem das rechteckige Loch von Kasimir Malewitsch: das "Schwarze Quadrat". Wie viele Künstler haben sich an diesem Ground Zero der Malerei, an seinem gemalten Transzendenzanspruch abgerackert, haben daran gekratzt, dagegen angemalt, sich lustig darüber gemacht?
Doch über hundert Jahre nach Malewitsch geht die Sonne wie eh und je abends unter und morgens auf und abends unter. Am Dienstag war dann auch der Online-Shooter "Fortnite" mit einem Trailer für die nächste Staffel wieder online. Die kosmische Stille - vorbei!