Filmfestival

Gibt’s denn gar nichts zu lachen in Venedig?

Penelope Cruz, Antonio Banderas, Irene Escolar und José Luis Gómez in einer Szene des Films "Competencia oficial"
Foto: Filmfest Venedig

Penelope Cruz, Antonio Banderas, Irene Escolar und José Luis Gómez in einer Szene des Films "Competencia oficial"

Das Filmfestival in Venedig zeigt die Welt als einen düsteren Ort. Die Satire "Competencia Oficial" über das Filmgeschäft bietet da eine willkommende Abwechslung. Der Beitrag mit Penelope Cruz und Antonio Banderas ist ein Kandidat für den Goldenen Löwen

Die Welt ist ein schrecklicher Ort. Daran lässt auch dieses Filmfestival in Venedig nicht den geringsten Zweifel. In "The Card Counter" nahm uns Paul Schrader mit auf einen Horrortrip nach Abu Ghraib. Und auch in der Ostukraine werden Menschen zu Tode gefoltert: Valentyn Vasyanovych schickt in seinem Wettbewerbsfilm "Vidblysk (Reflection)" einen Minsker Chirurgen in ein Folterlager der Russen, zeigt detailliert, wie Menschen gequält werden und schildert auch die psychischen Folgen bei dem Arzt, der davonkommt. Es bleiben Zweifel am ästhetischen Wert der Reflexion, auch wenn Vasyanovych die ästhetischen Tableaus des schwedischen Filmpoeten Roy Andersson zu kopieren trachtet. Doch purer Gewalt wohnt kein Zauber inne.

Szene aus Valentyn Vasyanovychs Wettbewerbsfilm "Vidblysk (Reflection)"
Foto: Filmfest Venedig

Szene aus Valentyn Vasyanovychs Wettbewerbsfilm "Vidblysk (Reflection)"

Auch im Fall des italienischen Beitrags "La scuola cattolica" (Regie: Stefano Mordini), der von einem Sexualmord erzählt, den katholische Internatsschüler verüben, bleibt der Erkenntniswert am Ende gering. Das Böse lässt sich nicht allein mit rigorosen Erziehungsmethoden erklären. Mordinis Ausflug in die 1970er bleibt oberflächlich und prätentiös.

Szene aus "La scuola cattolica" von Stefano Mordini
Foto: Claudio Iannone

Szene aus "La scuola cattolica" von Stefano Mordini

Die Gewalt aber, die sich die junge Protagonistin Anne in "L’événement" selbst antun muss, damit sie als junge Mutter nicht ihren Lebenstraum – das Literaturstudium – an den Nagel hängen muss, rüttelt auf. Die französische Regisseurin Audrey Diwan (in dieser Saison sind wirklich starke Filmemacherinnen dabei) zeichnet ein Bild der französischen Provinz anno 1962, das sich von der Jetztzeit kaum unterscheidet. Gerade damit schärft Diwan – im Gegensatz zu Mordini – den Blick für die Unterschiede einer Epoche, in der an die Hälfte der Gesellschaft mittelalterliche Moralansprüche angelegt werden. Anne sucht Hilfe bei einem Gynäkologen und einer "Engelmacherin", als nichts wirklich hilft, legt sie selbst Hand an. Verstörend. Im Mittelpunkt, eine lebenshungrige Anamaria Vartolomei, die den Coppa Volpi wohl verdienen würde – den Schauspielerinnenpreis der Mostra.

Szene aus "L’événement" von Audrey Diwan
Foto: Filmfest Venedig

Anamaria Vartolomei (rechts) in einer Szene aus "L’événement" von Audrey Diwan

Gibt’s denn gar nichts zu lachen in Venedig? Doch: Nach Pedro Almodovars starkem Eröffnungsfilm "Madres paraleles", hat Penelope Cruz noch einen zweiten Filmauftritt, der den Kino- und Festivalbetrieb herrlich durch den Kakao zieht: "Competencia Oficial" (zu deutsch: "Offizieller Wettbewerb") ist ein Gemeinschaftswerk der Argentinier Gastón Duprat und Mariano Cohn. Am Ende zeigen sie eine Pressekonferenz (auf einem fiktiven Filmfestival), bei der Kultregisseurin Penelope Cruz ihren Spielfilm über zwei aufs Blut verfeindete Brüder vorstellt. "Competencia Oficial" zeigt die Proben zu dem Streifen über ein rivalisierendes Brüderpaar, der von einem spanischen Milliardär finanziert wird. Don Humberto will sich selbst ein Denkmal setzen, er will die größten Stars und die idealen Bedingungen für das Projekt. Im leerstehenden Stiftungsgebäude des schwerreichen Mannes – der von Mies van der Rohe erbaute Pavillon zur Weltausstellung 1929 in Barcelona – treffen die extravagante Regisseurin und der erfolgsverwöhnte, aber wenig ambitionierte Félix Rivero (Antonio Banderas) sowie Iván Torres (Oscar Martínez) – der sich auf seinen Ruhm als großer Charaktermime viel einbildet – aufeinander. Cruz’ Programm besteht darin, die überlebensgroßen Egos auf Normalformat zu schrumpfen. Die Stars haben einiges auszuhalten, unter anderem werden ihre gesammelten Filmpreise – darunter auch Banderas' angeblicher Coppa Volpi von den Venedig-Festspielen – durch Penelope Cruz mit einem Industrieschredder zerkleinert.

"Competencia Oficial" ist eine giftige Farce über das Filmgeschäft, die Überheblichkeit seiner Akteure und die Mittelmäßigkeit dessen, was bei der Kunstanstrengung mitunter herauskommt. Mit viel Witz, wenig Aufwand und Selbstironie nehmen Duprat/Cohn ihr eigenes Gewerbe aufs Korn: Gute Komödien sind selten, gerade auf Festivals, diese gehört aufs Siegertreppchen.

Szene aus dem Film "Competencia Oficial", ein Gemeinschaftswerk der Argentinier Gastón Duprat und Mariano Cohn
COMPETENCIA OFICIAL (OFFICIAL COMPETITION) - Official still (Credits Manolo Pavon) (4) (1210x806)

Szene aus dem Film "Competencia Oficial", ein Gemeinschaftswerk der Argentinier Gastón Duprat und Mariano Cohn