MeToo-Dichter?

Feministisches Kollektiv bewirft Goethehaus in Weimar mit Klopapier

Das Künstlerkollektiv Frankfurter Hauptschule hat Goethes Gartenhaus im Park an der Ilm in Weimar mit Toilettenpapier beworfen, um auf das Frauenbild des Dichters aufmerksam zu machen

In einem auf Youtube hochgeladenen Video ist zu sehen, wie sich vermummte Frauen und Männer vor dem Haus formieren und schließlich das Haus mit Toilettenpapierrollen bewerfen. Dazu läuft eine Aufnahme eines Chors, der Heinrich Werners Vertonung des Goethe-Gedichts "Heideröslein" singt. Die Aktion soll am Dienstag stattgefunden haben.

Das Kollektiv möchte damit auf das Frauenbild des deutschen Dichters aufmerksam machen: "Goethes Werk strotzt vor erotischen Hierarchien zu Ungunsten seiner Frauenfiguren, die von ihm oft als 'naive Dummchen' gestaltet werden", heißt es in einer Stellungnahme. "Das 14-jährige Gretchen im 'Faust' ist nur das prominenteste Beispiel. In seinem (von Franz Schubert vertonten) Gedicht 'Heidenröslein' verharmlost Goethe gar eine brutale Vergewaltigung in lieblichem Trällerton."

Die letzte Strophe des 1827 vollendeten Gedichts "Heideröslein" lautet: "Und der wilde Knabe brach / ’s Röslein auf der Heiden; / Röslein wehrte sich und stach, / Half ihm doch kein Weh und Ach, / Mußt’ es eben leiden. / Röslein, Röslein, Röslein roth, / Röslein auf der Heiden."


Das Gartenhaus war 1776 Goethes erster eigener Wohnsitz in Weimar. Hier schrieb er die Ballade vom "Erlkönig" und das Gedicht "An den Mond". Im Alter war das Haus ein Rückzugsort für Goethe. Laut "Thüringer Allgemeinen" entstand durch die Aktion der Frankfurter Hauptschalle kein materieller Schaden. Die Kosten der Reinigung werden aber auf 400 Euro geschätzt.

"Zeit seines Lebens suchte Goethe Liebesbeziehungen zu wesentlich jüngeren Frauen", heißt es weiter in der Stellungnahme der Frankfurter Hauptschule. "Als 40-jähriger verführte er die 23-jährige Christiane Vulpius und schwängerte sie. In der Folge hielt er sie von seinem Wohnhaus im Zentrum Weimars fern, da er sich für die nicht standesgemäße Verbindung mit einer Putzfrau schämte. Er schob sie in sein Gartenhaus ab. Noch mit weit über siebzig bedrängte Goethe die 17-jährige Ulrike von Levetzow. Immer wieder beutete Goethe Frauen emotional aus, ließ seine Partnerinnen sitzen und verschwand, mitunter ins Ausland. Als Jurist befürwortete er - gegen den Begnadigungswunsch Herzog Carl Augusts - vehement die Hinrichtung einer verwirrten, mittellosen Dienstmagd, die ihr Neugeborenes umbrachte."

Die Frankfurter Hauptschule eröffnet am 28. August – Goethes 270. Geburtstag – die Ausstellung "LOLita" in dem Kölner Projektraum Gold + Beton. "LOLita" ist auch das Video von der Weimarer Aktion benannt. Das Künstlerkollektiv macht immer wieder mit spektakulären Aktionen auf sich aufmerksam, etwa 2015 mit einer Heroin-Performance im Frankfurter Bahnhofsviertel und 2016 mit dem Aufruf, Liebesschlösser von Frankfurts zentraler Fußgängerbrücke abzuknacken. Vor einem Jahr inszenierte die Gruppe einen vermeintlich rechtsextremen Übergriff auf der Wiesbaden Biennale.