Leonard Cohen hat einmal gesungen: "They sentenced me to twenty years of boredom for trying to change the system from within." Ist es Ihnen gelungen, nach 30 Jahren das System des Kunstbetriebs von innen zu verändern?
Käthe Kollwitz: Ich weiß nicht, wie viel wir geschafft haben, aber auf jeden Fall war es nicht langweilig. Die Situation für farbige Künstler, für Künstlerinnen oder Transgender hat sich verbessert; aber es ist noch ein weiter Weg. Zumindest in den USA gibt es aber ein viel größeres Bewusstsein, wie verkorkst das System ist. Eine immer kleinere Anzahl millionenschwerer Kunstsammler bestimmt darüber, welche Künstlerinnen und Künstler überleben und was in den Museen für die Zukunft aufgehoben wird.
Frida Kahlo: Es gibt immer noch die "gläserne Decke", die alle kennenlernen, die nicht weiß und männlich sind, also keinen Zugang zu Spitzenpositionen bekommen. Auch die Einkommensunterschiede sind erschreckend. Künstlerinnen und people of color verdienen maximal 20 Prozent von dem, was die erfolgreichen weißen, männlichen Kollegen bekommen. Die Rahmenbedingungen werden also eher schlechter.
Als Sie als Guerrilla Girls 1985 die Kunstwelt betraten, wurde viel darüber diskutiert, ob es eine spezifisch weibliche Ästhetik gebe und ob Kunst von Frauen auch andere Inhalte haben solle, zum Beispiel feministische. Wie sehen Sie das?
Frida Kahlo: Ja und nein! Frauen haben andere Leben als Männer oder Transsexuelle, und das schlägt sich zwangsläufig in der Kunst nieder. Aber das heißt nicht, dass das eine Regel ist.
Käthe Kollwitz: Feminismus brachte die Wirklichkeit zurück in die Kunst. Die Generation vor uns wollte Kunst über Themen und Ereignisse, die sie umgaben. Dafür war der Feminismus sehr wichtig, wofür heute Künstler aller Geschlechter dankbar sind.
Nun gab es unter bedeutenden Künstlerinnen auch antifeministische Positionen. Joan Mitchell ärgerte sich, wenn überhaupt über ihre Geschlechteridentität gesprochen wurde.
Frida Kahlo: Das sei ihr verziehen. Von Frauen wurde erwartet, über die Tatsache hinauszuwachsen, dass sie Frauen sind. Sie war ehrgeizig, andere Frauen gaben sich sogar männliche Namen. In einer unserer Arbeiten haben wir alte Kunstbücher umdesignt; aus "Art for the Century" wurde etwa "White Male Art for the Century". Denn Männerkunst heißt ja niemals so.
Es gibt ja auch den Vorwurf an die Guerrilla Girls, dass schwarze Künstlerinnen bei Ihnen unterrepräsentiert sind. Ein Mitglied, das sich Alma Thomas nannte, unterstützte diesen Vorwurf.
Frida Kahlo: Alma Thomas ist nicht mehr bei uns, das ist lange her, aber ja: Das war immer ein Problem, und sie hat das angesprochen. Alma Thomas hat uns sehr geholfen, das Buch "The Guerrilla Girls’ Bedside Companion to the History of Western Art" zu schreiben.
Aber das ist ja vor allem das Werk von Ihnen beiden, oder?
Frida Kahlo: Es ist ein Kollektivwerk. Aber ja, es ist nicht einfach, ein Buch zu schreiben. Übrigens war die echte Alma Thomas eine ganz wichtige Künstlerin des 20. Jahrhunderts. Die Wahl der Pseudonyme führte in der Gruppe oft zu einer Beschäftigung mit ihrer Geschichte. Jede Gruppe muss grundsätzlich auch ihre eigenen Ziele infrage stellen. Wir beide gehören zu den Gründern, insgesamt zählt sie bis zu 55 aktive Mitglieder.
Welche Rolle spielt Humor in der Neo-Agitprop-Ästhetik Ihrer Arbeiten?
Frida Kahlo: Humor ist eine wunderbare Art, Menschen, die nicht Ihrer Meinung sind, zum Innehalten zu bewegen. Sie bringen sie zum Lachen und graben dabei ein kleines Loch in ihr Gehirn – und können dabei ein paar Dinge wieder richtig einstellen.
Käthe Kollwitz: Viele in der Kunst kamen mit politischen Inhalten sehr streng ernst rüber, unser Ziel ist vor allem, nicht vergessen zu werden.
Auch in den Arbeiten, die Sie unter Ihren eigenen Namen machen, finden sich diese Stilmittel.
Frida Kahlo: Wie haben Sie denn unsere Namen herausgefunden?
Sie stehen in Wikipedia.
Käthe Kollwitz: Vielleicht sind sie ja falsch? Wenn Sie sie veröffentlichen, müssten wir das Interview nämlich jetzt abbrechen.
Käthe Kollwitz: Ja, und Sie kämen in die feministische Hölle.