Der Theatermacher Falk Richter sieht schädliche Männlichkeit als Wurzel vielen Übels in der Welt. "Nicht Männlichkeit an sich ist toxisch, aber viele Männer verhalten sich toxisch, auch deshalb, weil die Gesellschaft, in der wir leben, ihnen das Privileg zugesteht, sich zerstörerisch zu verhalten", sagte der Autor und Regisseur der Deutschen Presse-Agentur vor der Premiere seines neuen Stücks "In My Room" am Berliner Gorki-Theater kommenden Mittwoch (15.1.). Darin will Richter (50) der Frage nachgehen, ob die Krise der Gegenwart eine Krise der Männlichkeit ist. Unter anderem spielt der Schauspieler Jonas Dassler (23, "Der goldene Handschuh") mit.
Unter toxischer/giftiger Männlichkeit verstehen Geschlechterforscher und Soziologen übertriebene Vorstellungen des Mannseins wie Konfliktlösung einzig durch Gewalt, das Verneinen von Regungen wie Angst und Zärtlichkeit, auch ständige Sexbereitschaft oder das Abwerten angeblich unmaskuliner Männer.
Für Richter geht es um "Männer, die nicht zuhören, die keine Gefühle außer Wut zulassen können, die Frauen und Homosexuelle abwerten". Es gehe um Männer, die sich nie selbst in Frage stellten und falsches Verhalten weder zugäben noch änderten.
Richter sieht dieses Männlichkeitsgehabe in der Weltpolitik wieder auf dem Vormarsch. "Autoritäre, unberechenbare Männer wie Trump, Putin, Bolsonaro kommen an die Macht, zerstören die Demokratie und läuten das Revival des wütenden, rücksichtslosen, weißen Mannes ein, oder ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedacht ist." Solche Leute leugneten auch den Klimawandel, schüchterten Kritiker ein und ebneten den Weg in repressive Regime.
Als Lösung sieht der Theatermacher mehr "Mitgefühl". "Die Männer müssen sich selbst befreien. Gefühle zu zeigen, verletzbar zu sein, darf nicht länger als Defizit missverstanden werden, sondern es muss ganz selbstbewusst zum Verständnis einer intakten Männlichkeit dazugehören." Männer könnten dabei eigentlich nur gewinnen: echte Beziehungen zu sich, zu anderen, die auf gegenseitigem Respekt beruhten, auf Kooperation statt Konkurrenz.
Der Autor Falk Richter ("Gott ist ein DJ", "Electronic City", "Je suis Fassbinder", "Small Town Boy") gehört zu den wichtigsten zeitgenössischen Dramatikern und Theaterregisseuren.
Sein Stück "Fear" an der Berliner Schaubühne über das Erstarken rechtsnationaler Bewegungen brachte ihm unter anderem von der AfD-Politikerin Beatrix von Storch juristischen Ärger ein. Sie klagte jedoch vergeblich, nachdem sie sich von der satirischen Darstellung ihrer Person angegriffen gefühlt hatte.
Ab der kommenden Spielzeit geht der gebürtige Hamburger eigenen Angaben zufolge als leitender Regisseur an die Münchner Kammerspiele.
Zum Theatertreffen war er zuletzt 2018 mit seiner Inszenierung von Elfriede Jelineks "Am Königsweg" (Deutsches Schauspielhaus Hamburg) eingeladen. Richter unterrichtet als Professor für Performing Arts an der National School for Performing Arts in Kopenhagen. Die französische Regierung ernannte ihn 2018 zum Ritter des Ordens der Künste und Literatur (Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres). 2019 bekam er bei der Berlinale den schwullesbischen Special Teddy Award.