Kunstaktion auf Ebay

Hübsche Katze mit dunklem Grusel

Auf Ebay kann man sich beim Künstler Erik Niedling um das Foto einer weißen Katze vor Rosen bewerben. Der Haken: Sie gehört dem neurechten Verlegerpaar Götz Kubitschek und Ellen Kositza


Erik Niedling, Sie haben gerade ein Kunstwerk von sich auf Ebay-Kleinanzeigen gestellt, wie laufen die Gebote?

Ausgezeichnet. Aber ich spekuliere nicht auf ein hohes Gebot, sondern ich verschenke die Arbeit.

Das Bild wurde auf ihrer Ausstellung in der Berliner Galerie Tobias Naehring nicht verkauft. Als einziges, sagen Sie, und Sie haben da auch eine Vermutung, warum.

Ja, alle Arbeiten wurden verkauft, bis auf diese Fotografie einer weißen Katze. Alle Interessenten und Interessentinnen für "White Cat" sahen von einem Erwerb ab, sobald sie erfuhren, dass das abgebildete Haustier dem neurechten Verleger:innenpaar Ellen Kositza und Götz Kubitschek gehört. Die anfängliche wohlige Begeisterung für die hübsch ins Bild gesetzte Katze wich blitzschnell einem dunklen Grusel. Diese Ambivalenz wollte dann wohl niemand überm Sofa ertragen müssen.

Zunächst einmal: Wie kamen Sie dazu, ausgerechnet diese Katze zu fotografieren?

Ich begleitete im Jahr 2016 aus Neugier den Schriftsteller Joachim Bessing nach Schnellroda, wo wir mit Kositza und Kubitschek über ihre Begeisterung für Christian Kracht, Joachims 90er-Jahre-Klassiker "Tristesse Royal" und das Risiko der Wiedereröffnung von KZs nach einem theoretischen Wahlsieg der AfD stritten. Ich machte einige Bilder bei dem Treffen und mir wurde gestattet, auch auf dem Gelände ihres Ritterguts herumzustreifen um zu fotografieren. Dabei ist mir die Katze über den Weg gelaufen und hat sich mir geradezu aufgedrängt. Ich glaube, die Katze wollte unbedingt von mir fotografiert werden.

Wie ist der künstlerische Kontext, was zeigten die anderen Bilder der Ausstellung denn?

Neben der Katze und einem Brocken Basalt vom Kleinen Gleichberg gab es noch die Fotografie eines weißen Mannes, die 1994 während einer Reise durch die Vereinigten Staaten entstand, drei zu einem Triptychon montierte DDR-Reliefs von kriegerischen Reiterszenen auf signalblauem Grund, ein Ölbild eines schwarzen Dreiecks auf weißem Grund und eine Rampe gebaut aus 136 Exemplaren meiner Autofiktion "Burial of the White Man". In ihrer Gesamtheit bilden die Arbeiten der Ausstellung einen assoziativen Raum, der eine Art Etappe zu meinem eigentlichen Ziel markiert: der Errichtung des "Burial of the White Man" in Form einer gigantischen, unmittelbar darauf wieder verschwindenden Pyramide im Jahr 2048.

Geschichten über die Haustiere von politisch problematischen Halterinnen und Haltern sind ja ziemlich interessant, kennen sie noch mehr?

Ich bin mir fast sicher, dass Mussolini ein Löwenbaby mit der Flasche aufzog, und die Löwin dann später, als sie zu groß für den Haushalt wurde, immer mal wieder im Zoo besuchte.

Wie ist das nun mit der Katze, die ja nicht selbst vermittelt werden soll, sondern nur ein Bild von ihr. Was lässt sich an den Schwierigkeiten, die das bereitet, für Sie ablesen?

Dass auch Menschen, die sich für aufgeklärt und liberal halten, andere Wesen vor allem aus dem Kontext heraus beurteilen – und nicht als sie selbst.

Sie haben Mitleid mit dem Tier, weil es Projektionsfläche für eine Schuld ist, die es gar nicht auf sich geladen hat? Und benutzen Sie die Katze nicht auch?

Ich denke bei der Katze, die angeblich auf den schönen Namen Sophie hört, handelt es sich um ein eher blasiertes Exemplar, für ein bisschen Aufmerksamkeit schaut sie in jede Kamera, da hält sich mein Mitleid in Grenzen. Aber woher will ich das wirklich wissen? Denn natürlich benutze ich diese Katze – so wie jedes andere Haustier auch – als Projektionsfläche.

Wie verhindern Sie, dass Kubitschek-Fans das Bild erwerben und daraus eine Ikone für ihre Ideologie machen?

Durch den Einsatz einer internationalen Fachjury aus Kunst- und Katzenliebhaber:innen. Sie wählt aus den Bewerber:innen die künftigen Besitzer:innen der Arbeit aus.

Der Bewerbungsschluss für die Amnestie-Katze ist der 8. Mai, nicht ganz zufällig.

Nein, kein Zufall. Zum einen ist der 8. Mai, wie alle wissen, der Tag der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg, zum anderen antizipiere ich jährlich am 8. Mai das "Burial of the White Man", die symbolische Bestattung des weißen Mannes, auf dem Kleinen Gleichberg in Thüringen. Beides Gründe zum Feiern.

Ihr Gedanke, dass man die Allgegenwart von Rechtsextremismus irgendwie anerkennen muss, also etwas anderes geboten ist als bloß das "Dagegensein", ist ja sehr interessant. Welchen "Umgang" mit Rechtsextremismus und Faschismus schlagen Sie vor? Und welche Rolle kann Kunst dabei spielen?

Ja, "Nazis raus" sagt sich so leicht, aber wohin mit ihnen? Ich denke, mit leidlich provokanten Liedtexten und einer roten Bomberjacke ist es nicht getan. Rechte sind auch Menschen, sie mit Gewalt und Unterdrückung zu bedrohen, folgt genau der primitiven Vergeltungslogik, die man doch bekämpfen will. Ich bin für eine neue Art der Separation. Nach dem alten Motto "Jedem Tierchen sein Pläsierchen" könnte man Faschist:innen nach einer Idee aus Ingo Niermanns Videobuch "Deutsch Süd-Ost" auf freiwilliger Basis in "Nazi-Zoos" umsiedeln, wo sie die Möglichkeit hätten, unter kontrollierten Bedingungen ihrer Ideologie zu frönen. Für genügend Essen, Kleidung, Obdach und Auslauf wäre gesorgt. Neugierige Besucher:innen könnten über Kopfhörer die kritisch kommentierte Ausgabe von "Mein Kampf" hören und am Ausgang ein paar Nazi-Zoo-Andenken mit gut sichtbaren Warnhinweisen erwerben. Alle andern hätten endlich ihre Ruhe.