Kohle, Gas, Öl. Das klingt nach schmutzigen Händen und gierigen Geschäften, nach Subvention, Korruption und Krieg. Wie viel besser klingen stattdessen: Wind, Wellen und Sonne. Und sie sehen auch deutlich besser aus.
Es gibt wenige Vordenker, die Politik und Ästhetik so radikal verknüpfen wie das Büro OMA (Office for Metropolitan Architecture) von Rem Koolhaas. Jetzt hat der dazugehörige Thinktank AMO in Rotterdam unter der Leitung von Reinier de Graaf kurzerhand die Europakarte neu segmentiert – und zwar nach Energiezonen. Die Idee ist einfach: Jede Region gewinnt, ihren geografischen Stärken entsprechend, Wind-, Wasser- oder Sonnenenergie, die zentral gespeichert und dann unter den Mitgliedstaaten verteilt wird. Ein Logistik-Netz sorgt für die Distribution.
Irland und der Westen Großbritanniens werden für das neue Eneropa die „Tidal States“, also Gezeitenstaaten, aus Portugal, Spanien, Italien und Griechenland wird „Solaria“, die große Sonnengegend, die Balkanregion wird zu „Biomassburg“, und Deutschland läge größtenteils in „Geothermalia“, also dem Erdwärmeland. Nach Berechnungen von OMA käme die Realisierung der Idee mit dem Projektnamen „Roadmap 2050“ auch nicht teurer als ein Bankenrettungsplan, und neben den einleuchtenden Vorteilen wie der Unabhängigkeit von arabischem Erdöl und russischem Gas ließen sich mit dem Modell irgendwann sogar Gewinne erzielen.
Koolhaas und sein Team schaffen es auch deshalb immer wieder, mit ihren provokanten Zukunftsthesen zu begeistern, weil sie nicht nur an das Klimagewissen appellieren, sondern auch an die hedonistischeren Hirnregionen. Sie erzeugen Bilder, die auch radikale Brüche mit den Gegebenheiten plötzlich vorstellbar machen – nicht als Utopie, sondern als realisierbare Idee.
Spannend ist daran, dass gleichzeitig der europäische Gedanke gestärkt wird. Und natürlich, dass all das extrem gut aussieht. Denn OMA weiß, dass reine Vernunft niemals so suggestiv ist wie ein überzeugender Look.
Rem Kohlhaas sortiert Europa neu