Die Frauen, die Elizaveta Porodina für Magazine wie "Vogue" oder "Numéro" fotografiert, sind komplex. Sie zielt weder auf Schönheitsbegriffe noch auf deren kalkulierte Übertretung. Trotzdem stellt sie Herkömmliches infrage. Geschult an den bühnenhaften Bildwelten der Konstruktivisten und der Surrealisten, zeigt die Künstlerin ihre Figuren uneindeutig, zweifelnd, aufgefächert wie in einem Mehrfachspiegel. Nun ist ihre Ausstellung "Un/Masked" im Ausstellungshaus Fotografiska Berlin zu sehen.
Die 1987 in Moskau geborene Fotokünstlerin hat Psychologie studiert und ganz offensichtlich keine Lust auf eindimensionale Idealbilder. Ihre grafischen Bildaufbauten lassen an Alexander Rodtschenko oder László Moholy-Nagy denken, ihre Licht- und Farbwahl an die überstrahlte Künstlichkeit des Musicalfilms "Der Zauberer von Oz" aus dem Jahr 1939. Ausdruck und Gestalt ihrer Modelle erinnern an die Körperinszenierungen von Man Ray oder Claude Cahun.
Aber diese Referenzen des 20. Jahrhunderts sind nur Hintergrund für etwas Neues, sehr Heutiges: die Fragestellung nach Identität und Repräsentation. Trotzdem macht gerade dieser Rückgriff auf eine vorangegangene ästhetische Welt Porodinas Kunst so spannend. Sie scheint ihr Zeuge zu sein bei der Feststellung, dass die Menschen doch nie eindeutig wussten, was Schönheit eigentlich sein soll, was daran von ihnen selbst entwickelt wurde und was Projektion und Konvention ist. Nur dass wir heute das sprachliche und in Porodinas Fall auch das künstlerische Vokabular haben, diese ungelöste Frage in aller Komplexität zu zeigen, wie auch im Buch "Un/Masked" deutlich wird.
Auf lange Textbeiträge verzichtet der Band konsequent. Einzig der legendäre Magazingestalter Fabien Baron, Artdirector unter anderem von Andy Warhols "Interview", widmet Porodina wenige bewundernde Sätze. "Als ein Remix der Moderne und der Bewegungen des 20. Jahrhunderts" beschreibt er ihre Bildwelten, aber genauso könnten sie aus einer nahen Zukunft kommen, in der Frauenbilder die nächste Evolutionsstufe genommen haben.