Gefährdeter Elizabeth Street Garden in New York

Kann ein Park Kunst sein?

Der Elizabeth Street Garden in Manhattan, New York City
Foto: Elizabeth Street Garden Inc.

Der Elizabeth Street Garden in Manhattan, New York City

Seit Jahren will eine engagierte Non-Profit-Gruppe den Elizabeth Street Garden in Manhattan vor der Schließung bewahren. Auch Patti Smith unterstützt den Plan. Nun gibt es Hoffnung: Der Park könnte ein Kunstwerk sein

Beinahe könnte man ihn in der schmalen Elizabeth Street übersehen, die hier von Wohnhäusern dominiert wird und im Vergleich zur ungleich größeren Parallelstraße Bowery ein wenig untergeht. Genau dort, mitten im Viertel Nolita, befindet sich eins der schönsten versteckten Refugien Manhattans, eine Art offenes Geheimnis: der Elizabeth Street Garden. 

Der 4000 Quadratmeter umfassende Park ist für Anwohner, New Yorkerinnen, die in der Gegend arbeiten, und für eingeweihte Touristinnen ein beliebter Anlaufpunkt; sie können zwischen Löwenstatuen, auf Klappstühlen, Steinbänken oder im Pavillon die Mittagspause verbringen, dem Straßenlärm entfliehen, ein Buch lesen oder Yoga machen. Doch seit Jahren ist diese Oase in Gefahr.

Angelegt wurde der Stadtgarten vom Galeristen Allan Reiver, der das leere Grundstück – einst hatte es eine Schule beherbergt, die abgerissen wurde – 1991 anmietete und mit Pflanzen, Statuen, Sitzgelegenheiten und anderen architektonischen Elementen verschönerte. Ab 2005 wurde der Park, der bis dato nur durch Reivers angrenzende Galerie betretbar war, der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 2012 schließlich übertrug man das Eigentum des Geländes auf die Wohnungsbehörde New York City Housing Authority. Spätestens seit 2015 gibt es Pläne, den Elizabeth Street Garden zu bebauen. Und genauso lange geht es hin und her mit Rechtsstreitigkeiten zwischen jenen, die den Park erhalten möchten (allen voran eine Non-Profit-Gruppe, die von Allans Sohn Joseph Reiver geleitet wird) und der Stadt.

Unterstützung von Scorsese, De Niro und Patti Smith

Haven Green heißt das Projekt, das auf dem Grundstück gebaut werden und über 100 bezahlbare Wohnungen für Seniorinnen und Senioren umfassen soll. In einem Interview 2022 mit CNN kritisierte Joseph Reiver die Pläne der Behörde als eine "Taktik des Teilens und Herrschens": Die Wahl, vor die man gestellt würde, sei unaufrichtig, ein Trojanisches Pferd. "Wollen Sie lieber erschwingliche Wohnungen für Senioren oder einen üppigen Gemeinschaftsgarten? Damit ist das Thema verfehlt. Wir brauchend dringend beides." In diesem dichtbebauten Teil Manhattans gibt es kaum andere Naherholungsmöglichkeiten. Reiver und seine Gruppe wissen sowohl um die Bedeutung von Grünflächen als auch um die von sozial verträglichen Apartments und schlagen der Stadt deswegen immer wieder Grundstücke vor, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – bisher ohne Resonanz.

Es ist aber nicht nur diese Initiative, die sich seit Jahren leidenschaftlich für den Erhalt des Parks engagiert. Auch New Yorker Promis setzen sich für den Elizabeth Street Garden ein. Nachdem es in vergangenem Herbst danach ausgesehen hatte, als müsste der Garten endgültig geräumt werden – am 1. November 2024 gab es in letzter Minute erneut einen Aufschub –, schrieben unter anderem der Regisseur Martin Scorsese, die Punk-Ikone Patti Smith und der Schauspieler Robert De Niro Briefe an den Bürgermeister Eric Adams, die die "New York Times" veröffentlichte. 

Er unterstütze das Vorhaben, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, so De Niro, "aber ich setze mich auch leidenschaftlich für die Erhaltung des Charakters unserer Viertel ein". Ähnlich klingt das bei Scorsese, der sich an sein Aufwachsen in der nahen "Betonwüste" Little Italy erinnert und die "Notwendigkeit einer wunderschönen, erfrischenden Oase" betont. Patti Smith bezeichnete den Park als Kunstwerk, einen "einzigartigen öffentlichen Zufluchtsort, in dem Kunst, Natur, Literatur und Aktivismus friedlich koexistieren".

Neue Hoffnung dank altem Gesetz

Damit lieferte Smith all jenen, die für die Rettung des Elizabeth Street Garden kämpfen, vielleicht das Stichwort. Am 18. Februar reichte Joseph Reiver erneut Klage gegen die Stadt ein, diesmal mit dem Versuch, den Park als Kunstwerk anerkennen zu lassen. Er verweist dabei auf den Visual Artists Rights Act (VARA) von 1990, der Künstlerinnen und Künstlern Rechte an Werken unabhängig von den Eigentumsverhältnissen einräumen kann. 

Laut dem Gesetz soll Kunst vor "vorsätzlicher und grob fahrlässiger Zerstörung" geschützt werden, worauf Reiver sich jetzt beruft. Der Elizabeth Street Garden sei ein "Zentrum für künstlerische und gemeinschaftliche Aktivitäten" und "sowohl als physisches Werk der bildenden Kunst als auch als Beispiel für eine soziale Skulptur" geschätzt, die prominente Mitglieder der Künstlergemeinschaft inspiriere. Damit würden nicht nur die Skulpturen selbst, sondern auch der Park als sozialer Begegnungsraum unter dem Kunstbegriff geschützt. Die Klage der Aktivistinnen und Aktivisten hat Pioniercharakter, weil sie über die einzelne Fläche hinausweist.

Ist ein öffentlicher Park ein Kunstwerk, wenn er künstlerische Aktivitäten beherbergt und zahlreiche Skulpturen ausstellt? Oder anders gesagt: Was gilt als Kunst in einer Welt des modernen Finanzkapitalismus? Kann ein erweiterter Kunstbegriff zukünftig ein Instrument zum Schutz urbaner Strukturen werden? Vor der Beantwortung dieser Fragen steht jetzt ein Gericht. Ob die Gruppe mit ihrem neuen Ansatz Erfolg hat, wird sich zeigen. Mehrfach gab es bereits Gnadenfristen für den Elizabeth Street Garden, als schon fast keiner mehr daran glaubte. Für die Anwohnerinnen und Anwohner wäre es unbedingt wünschenswert, dass dieser kleine Park erhalten bliebt: in einer Gegend, die immer mehr an Investoren verkauft wird und – siehe De Niro – ihre Seele verliert. Die Stadt sollte ihre zahlreichen weiteren Möglichkeiten endlich wahrnehmen und den geplanten bezahlbaren Wohnraum schaffen: an einer anderen Stelle in Downtown Manhattan.