Schon der Titel ist eher ein schlechter Kalauer: "Einheitsmerkmal" heißt das Denkmal, das zwei Künstler in Düsseldorf aufstellen wollen. Die Kunstkommission der Stadt hat empfohlen, die Schenkung nicht anzunehmen. Doch der Rat der Stadt Düsseldorf möchte das fragwürdige Kunstwerk haben. Was mindestens zwei Fragen aufwirft: Wozu braucht man eine Kunstkomission, wenn man ihren Rat nicht respektiert? Und: Was haben die Künstler dem Rat der Stadt in den Kaffee getan, damit der ihre plumpe Riesenflöte gut findet?
Doch erzählen wir die Geschichte von Anfang an. Die Idee zu dem "Einheitsmerkmal" stammt von den Düsseldorfer Künstlern Thomas Schönauer und Ralph Richter. Schönauer hat als Bildhauer bislang einige Banken und Fußgängerzonen in Deutschland mit abstrakten Stahlskulpturen verschönert, Richter als Fotograf vor allem Corporate-Kunden bedient. Mit im "Einheitsmerkmal"-Team sind noch Daniel Janzen und Christoph Pietsch, ihres Zeichens Geschäftsführer einer "Creative Art Agency" und Verleger des Kunsthandels-Magazins "Meet Pablo" beziehungsweise Unternehmensberater.
Eine Metaphorik zwischen eingängig und primitiv
Mit Hilfe von viel Agentur-Wortgeklingel ("Die Kraft der kreativen Vernetzung!"), Präsentationen und Image-Filmchen hat das Männerquartett Sponsoren und Politik auf seine Seite gezogen und das "Einheitsmerkmal" durchgesetzt. Das Denkmal bedient sich einer Metaphorik, die man wahlweise als eingängig oder primitiv bezeichnen kann: Eine 30 Meter hohe Stele soll den 30. Jahrestag der deutschen Einheit symbolisieren. Oben beginnt sie mit zwei gespaltenen Blöcken, durch die die imaginäre Mauer laufen soll, darunter werden "die dynamischen Wirren der Wiedervereinigungsphase" durch ein paar Verdrehungen und Öffnung symbolisiert, unten soll ein Quadrat als stabile, allen Himmelsrichtungen zugewandte Basis das heute vereinigte Deutschland repräsentieren.
Die Risse, die in der real existierenden Bundesrepublik durch diese Basis gehen, sind im Entwurf leider nicht mit repräsentiert. Es soll schließlich gefeiert werden. Im Konzeptpapier präsent sind dagegen Sponsoren wie der Konzern Evonik, der für den schicken Beton verantwortlich zeichnet, mit dem die Skulptur errichtet werden soll. Auch deutsche Dax-Konzerne, die von der Einheit profitierten, wie Siemens oder Bayer sollen das Projekt unterstützen, das insgesamt rund fünf Millionen Euro kosten soll - die Summe soll komplett von den Initiatoren aufgebracht werden.
Warum hat man eine Kunstkommission, wenn man ihr Urteil ignoriert?
Nun ist das "Einheitsmerkmal" ja nicht das erste Monument, das der Öffentlichkeit geschenkt werden soll – und die ist immer gut beraten, solche Angebote genau zu prüfen, denn nicht selten vermehren die Schenker damit eher ihren eigenen Ruhm und Marktwert als die Qualität des öffentlichen Raums. Für genau solche fachkundige Begutachtung hat die Stadt Düsseldorf seit Mai 2017 eine Kunstkomission für Kunst am Bau, in der neben Vertretern der Parteien auch Künstler und Künstlerinnen sitzen.
Diese Komission, in der unter anderem Katharina Sievering, Thomas Stricker und Via Lewankowsky vertreten sind, hat vergangenen Herbst das Einheitsmerkmal bei zwei Enthaltungen einstimmig abgelehnt. Höflicherweise verzichtete sie in ihrem Statement dazu auf eine ästhetische Bewertung des missglückten Entwurfs und verwies lediglich auf die Tatsache, dass bei so einem relevanten Thema ein öffentlicher Wettbewerb unverzichtbar sei.
Gegenüber Monopol sagte Via Lewandowky als Vorsitzer der Kommission: "Wie jedes andere Denkmal, auch wenn es eine Schenkung ist, muss sich dieses Kunstwerk kritischen Fragen stellen. Vor allem dann, wenn es prominent im öffentlichen Raum aufgestellt werden soll." Seiner Meinung nach hat der "ornamental bearbeitete Fabrikschlot" ästhetisch und gedanklich ziemliche Schwächen: "Die Einfachheit der Abstraktion kann schnell zum metaphorischen Supergau werden". Durch die Phrasendrescherei der Initiatoren werde außerdem der eigentliche Sinn des Denkmals missbraucht. "Angesichts der immer wieder konstatierten unterschiedlichen Befindlichkeiten zwischen Ost und West wird diese Initiative zum in Beton gegossenen Ausdruck einer Entfremdung von der realen Situation".
Die Einheit ist kein fester Sockel
Womit der gebürtige Dresdner Lewandowky den eigentlichen Punkt trifft. Hier schicken sich einige westdeutsche Herren an, in Zusammenarbeit mit finanzkräftigen westdeutschen Konzernen und mit Zustimmung westdeutscher Kommunalpolitiker, ein Denkmal für die deutsche Einheit zu bauen, mit dem Wessis sich selbst feiern – und wiederholen damit genau jene Übergriffigkeit und Arroganz, die bis heute dazu geführt haben, dass die deutsche Einheit eben kein fester Sockel ist, sondern eine politisch prekäre Angelegenheit.
Der Rat der Stadt Düsseldorf hat, seine eigene Kunstkommission ignorierend, das "Einheitsmerkmal" mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen. Ob die Sache noch abzuwenden ist? Vielleicht durch eine Welle öffentlicher Empörung. Lewandowky jedenfalls hat einen Vorschlag zur Güte: Man könnte den Fabrikschlot zum Denkmal für irgendetwas anders umwidmen. Die Mondlandung zum Beispiel. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.