Ein Tanz mit dem Tod, choreografiert vor 30 Jahren: Robert Longos Fotoserie „Men in the Cities“

1977, als seine Freundin Cindy Sherman die Arbeit an ihren heute berühmten „Untitled Film Stills“ aufnahm, begann Robert Longo mit seiner Serie „Men in the Cities“. Doch während Sherman sich in den Posen von Hollywoodschauspielerinnen inszenierte, die trüb-gelangweilt aus dem Bild schauen, strotzen Longos Bilder vor Energie: Auf riesigen Kohlezeichnungen winden sich akkurat gekleidete Männer und Frauen in ekstatischen Posen – eine Art Totentanz des modernen Großstadtmenschen.
Gut 30 Jahre später haben diese Bilder, die Longos künstlerischen Durchbruch einleiteten, nichts von ihrer Intensität verloren, obwohl die Serie von unzähligen Modefotografen und Werbekampagnen zitiert wurde. Longo könnte zudem auf das Copyright der jüngsten iPod-Kampagne pochen – wenn er nicht selbst, wie für seine Künstlergeneration üblich, auf bereits vorhandene Motive zurückgegriffen hätte. Die Schlussszene aus dem Fassbinder-Film „Der amerikanische Soldat“, in der zwei Männer von Pistolenkugeln getroffen werden und sich im Moment des Todes winden, brachte Robert Longo auf die Idee zu der Serie.
Als Vorlagen für seine Zeichnungen ließ Longo dann Freunde wie Sherman, Larry Gagosian oder Gretchen Bender auf dem Dach seines Lofts in Manhattan posieren. Er warf ihnen Gegenstände entgegen und fotografierte, wie sie sich krümmten, streckten, hinwarfen. Die Bilder erinnern gleichzeitig an den Showdown in einem amerikanischen Western, an Robert Capas ikonisches Foto eines getroffenen Soldaten im spanischen Bürgerkrieg, an André Bretons surrealistisches Ideal der konvulsivischen Schönheit und an die Bühnenauftritte von Punkbands wie den Ramones oder den Sex Pistols, die Longo sehr verehrte.
94 Fotografien, die damals entstanden, erscheinen jetzt in einem eigenen Band bei Schirmer/Mosel, begleitet von einem Interview mit Longo und einem Beitrag von Cindy Sherman. Heute, schreibt die Künstlerin, „sehe ich in den Bildern unseren jugendlichen Optimismus, den nicht einmal unsere ironische und zynische Punkrock-Ideologie verdecken konnte“.

 

Robert Longo: „Men in the Cities: Die Photographien“.

Schirmer/Mosel, 128 Seiten, 39,80 Euro