Eigenheime haben lange nicht mehr so viel Aufmerksamkeit bekommen: Nachdem ein Hamburger Bezirk in seinen zukünftigen Bebauungsplänen keine Einfamilienhäuser mehr vorsieht und der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sich zustimmend äußerte, wurde schon das Aussterben dieser urdeutschen Wohnform befürchtet: vier Wände, Satteldach und ein schöner Vorgarten für Bumenkübel, Wagenräder, Geschmiedetes und Geharktes.
Die Architekturexpertin Turit Fröbe geht der weit verbreiteten Eigenheim-Idylle seit Jahren nach wie eine Forscherin. Die krudesten Kuriositäten hat sie für ein Buch gesammelt. In "Eigenwillige Eigenheime – Die Bausünden der anderen" spießt sie falsche Schlösser, Zierbrunnen und Kiesgärten auf und reichtert ihre sachlichen Fotografien mit architekturhistorischem Hintergrundwissen an.
"Schöner wohnen mit Stuck" steht beispielsweise auf einem Schild an der apricotfarbenen Hauswand. Darunter befindet sich ein Rolladenkasten für die zwei Fenster des Stuck- und Marmorgeschäfts – getragen wird er von einer pseudoantiken Säule.
"Säulen sind seit 2500 Jahren eine tradierte Würdeformel, mit der sich Architektur adeln und aufwerten lässt", schreibt Fröbe in einem der kurzen Texte. "In der Bausünden-Produktion werden sie vor allem dann zu einem interessanten Gestaltungsmittel, wenn sie anders eingesetzt werden als erwartet: Wenn sie zum Beispiel nicht nur Villen, Tempel oder öffentliche Gebäude auszeichnen, sondern zur Dekoration von Schuppen und Garagen verwendet werden."
Vorgarten-Ruinen und Steinlöwen-Oasen
Die künstlichen Vorgarten-Ruinen von Bad Füssing sind genauso bemerkenswert wie die Steinlöwen-Oasen in fast allen besseren Stadtrandlagen. Fest steht: Der Individualisierungswille ist oft so groß, dass der gute Geschmack nicht ganz mitkommt. Der Begriff "Bausünde" könnte hier auch "Bauparadies" heißen – alles ist erlaubt. Aber macht das genaue Hingucken da überhaupt Spaß?
Wenn man die ganzen Insignien des teilweise vergurkten Wohnwillens als Kommunikationsangebot auffasst, schon. Natürlich ist es ganz einfach, sich über eine Alpenvilla in West-Berlin lustig zu machen, auf Gartenzwerge von oben herabzusehen oder die verzweifelten französischen Anleihen aus dem Baumarkt lächerlich zu finden. Andererseits stecken dahinter ja immer Menschen, die dank Eigenheim eine genaue, und zwar ihre eigene Vorstellung vom guten Leben umsetzen konnten.
Begegnen wir also den Barock-Doppelgaragen, den Krüppelwalmdächern, all den Anbauten und Überformungen offen und neugierig. Manche von ihnen kommen einer Sehstörung gleich. Etwa wenn die Doppelhaushälfte allein dasteht. Oder dreierlei Kies und Dekosteinzeugs sich im Vorgarten zu einer Art Stonehenge-Zengarten vereinen. Turit Fröbes Blick ist geschärft, ihr Urteil ist unbestechlich, und trotzdem findet sie auch das Charmante im Schauderhaften.