Verhülltes Werk in Kassel

Documenta Fifteen: Hoffnung auf Dialog nach Antisemitismus-Eklat

Blick auf die verhüllte Figurendarstellung People's Justice (2002) des Kollektivs Taring Padi
Foto: Swen Pförtner / dpa

Blick auf die teilweise verhüllte Figurendarstellung People's Justice (2002) des Kollektivs Taring Padi. Inzwischen ist das ganze Werk unter schwarzem Stoff verborgen

Nach neuerlichen Antisemitismus-Vorwürfen hat die Documenta Fifteen in Kassel ein heftig kritisiertes Werk verhüllt. Das Internationale Auschwitz Komitee hat nun zum Austausch mit den Künstlern aufgerufen. Wie konnte es so weit kommen?

Nach der Verhüllung eines heftig kritisierten Werkes auf der Documenta Fifteen in Kassel geht die Debatte um den Umgang der Schau mit den Antisemitismus-Vorwürfen weiter. Das Internationale Auschwitz Komitee rief zum Dialog mit den Künstlern auf. "Es wird höchste Zeit, im Rahmen dieser Documenta ein Gespräch zu beginnen, die Künstler zu hören, aus welcher Weltsicht diese Bilder so entstanden sind und seitens der Documenta öffentlich zu erklären, warum diese Bilder hier auf Widerstand und Ablehnung stoßen", erklärte Christoph Heubner, der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, am Dienstag.

Am Vortag hatte der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, die Verantwortlichen der Weltkunstausstellung in Kassel aufgefordert, einen Beitrag des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wegen antisemitischer Motive zu entfernen, nachdem Fotos der Darstellungen auf Twitter kursierten. Die großflächige Banner-Installation "People's Justice" von 2002 sind unter anderem Soldaten mit Schweinegesichtern zu sehen. Einer davon trägt ein Halstuch mit einem Davidstern und einen Helm mit der Aufschrift "Mossad" - die Bezeichnung des israelischen Auslandsgeheimdienstes. Außerdem ist eine Figur mit Schläfenlocken dargestellt, die SS-Runen auf dem Hut hat.

Es folgte eine Welle der Empörung bis hin zu Rücktrittsforderungen an die Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann. Die israelische Botschaft in Berlin warf der Schau vor, "Propaganda im Goebbels-Stil" zu befördern. Am Montagabend war das Banner schließlich abgedeckt worden.

Denkmal der Trauer

Taring Padi habe sich gemeinsam mit der Geschäftsführung und der Künstlerischen Leitung zu diesem Schritt entschieden, da die Figurendarstellung des Kollektivs "antisemitische Lesarten ermöglicht", teilte die Documenta mit, als zeitgleich schon schwarze Stoffbahnen über dem Banner entrollt wurden. Zudem kündigten die Verantwortlichen an, eine Erklärung zu dem umstrittenen Werk installieren zu wollen und ergänzend weitere externe Expertise einzuholen.

Das Banner wurde laut Documenta am vergangenen Freitagnachmittag am Friedrichsplatz installiert, nachdem notwendige restauratorische Maßnahmen aufgrund von Lagerschäden an der 20 Jahre alten Arbeit durchgeführt worden seien. Das Werk wurde nicht für die Documenta Fifteen angefertigt, sondern war bereits 2002 erstmals auf dem South Australia Art Festival in Adelaide zu sehen.

Während etwa von der Kulturstaatsministerin über das Auschwitz Komitee bis zur Documenta-Aufsichtsratsvorsitzenden klar von antisemitischer Bildsprache die Rede war, sah die Künstlergruppe selbst das anders. Dennoch wurde nach der heftigen öffentlichen Kritik entschieden: "Als Zeichen des Respekts und mit großem Bedauern decken wir die entsprechende Arbeit ab, die in diesem speziellen Kontext in Deutschland als beleidigend empfunden wird." Das Werk werde nun zu einem Denkmal der Trauer über die Unmöglichkeit des Dialogs in diesem Moment. "Wir hoffen, dass dieses Denkmal nun der Ausgangspunkt für einen neuen Dialog sein kann."