Der deutsche Stararchitekt Ole Scheeren baut für den chinesischen Telekomriesen ZTE in Shenzhen eine innovative Konzernzentrale in Form einer "Welle". Das "Shenzhen Wave" genannte Projekt entsteht an prominenter Stelle am Ufer der Bucht der südchinesischen Metropole gegenüber von Hongkong, wie Scheeren am Mittwoch der Deutsche Presse-Agentur in Peking berichtete. Eine gewundene Welle geht durch das 75 Meter hohe Gebäude, hebt es vom Boden ab, verbindet die Geschosse und wölbt sich oben aus dem Dach.
"Die Menschen können sich vertikal und diagonal durch das Gebäude bewegen", sagte Scheeren. "Die Welle ist der Verbindungsraum, der das Miteinander verschmilzt." Es gehe darum, "einen positiven Raum für sozialen Austausch zu schaffen", sagte der gebürtige Karlsruher, der bekannt ist für den preisgekrönten CCTV-Tower und das Guardian Kunstzentrum in Peking sowie den Wohnkomplex Interlace in Singapur oder das Hochhaus Maha Nakhon in Bangkok.
Die Konzernzentrale, die vor Ausbruch des Coronavirus entworfen wurde, biete mit ihrem Zusammenspiel aus Arbeits- und Lebensraum besondere Qualitäten, die sowohl in "normalen" Zeiten wie auch in der Corona-Krise wichtig seien. "Wir leben in einer Zeit, wo der Raum eine ganz neue, besondere Bedeutung bekommen hat", sagte Scheeren. "Es gibt in dem Gebäude natürliche Belüftung, Lichthöfe und viel Platz, der neuen Formen der Hygiene und der Vorsicht dienen kann."
Das, was Canary Wharf für London ist
Das Gebäude könne "ungeheuer flexibel" gestaltet werden: "Ein Raum, der Natur einbringt und typische Bürostrukturen auflöst", sagte der Architekt, der Büros in Peking, Berlin, Hongkong, Bangkok, New York und London unterhält. Scheeren arbeitet gegenwärtig auch in Frankfurt am Main am Riverpark Tower, einer Umwandlung eines Büroturms in ein Wohnhaus. Zudem baut er zwei Wohntürme in Vancouver in Kanada und den Empire City genannten Wolkenkratzer in Hoh Chi Minh City in Vietnam.
Das ausgefallene Gebäude verbindet das Ufergelände der Bucht am Perlflussdelta mit dem Eingang zur "Shenzhen Bay Super Headquarter Base", einem neu geplanten Geschäftsbezirk mit Wolkenkratzern für weitere Konzernhauptquartiere. Nach den Wünschen der Planer soll diese Stadt der Zukunft "für Shenzhen das werden, was Canary Wharf für London oder La Défense für Paris ist", wie es ehrgeizig heißt.
Für Architekten ist möglich, was der Bevölkerung fehlt
Der Bau der ZTE-Zentrale soll schon Anfang 2021 beginnen – 2023 soll sie fertig sein. Der Komplex verbindet Büros mit öffentlichem Raum, einem Amphitheater für Kultur, Einkaufsmöglichkeiten, Cafés, Grünflächen und einem Club auf dem Dach. Arbeits- und Lebensraum sollen verschmolzen werden, sagte Scheeren. Die Geschossplatten seien jeweils größer als ein Fußballfeld, könnten frei umgestaltet werden und "sind damit auch für die Zukunft gerüstet".
"Es hat auch viel mit der Firmenkultur zu tun, also, welche Erfahrung und Kultur die Firma den Angestellten bieten will", sagte Scheeren über den Telekom-Ausrüster ZTE, der "ein attraktives Angebot" machen wolle. "Es ist interessant, dass sich die innovative Tech-Szene immer gerne in Fabrik-Etagen oder sogar alte Schlösser zurückgezogen und sich aus innovativer Raumkultur herausgehalten hat – das war häufig Retro", schildert Scheeren. "Aber unser Projekt hier ist Zukunft."
Als Reaktion auf die Pläne wurde jedoch bereits darauf hingewiesen, dass China bisher nicht dadurch in Erscheinung getreten ist, sonderlich viel Wert auf persönliche Entfaltung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu legen. Wie der "Spiegel" schreibt, zeigt die "Welle" einmal mehr, dass für westliche Stararchitekten in autoritären Regimes ein hohes Maß an kreativer Freiheit möglich ist - etwas, das der lokalen Bevölkerung verwehrt bleibt. Immer wieder werden bekannte Architekten dafür kritisiert, Prestigebauten für nicht-demokratische Staaten zu planen.