Wer hat's erfunden?

Die unglaubliche Karriere des Superkunstwortes "Superkunstjahr"

Wenn sich Großausstellungen ballen, nennt man das neuerdings "Superkunstjahr" – ein Wort, das mutmaßlich in der Monopol-Redaktion zur Welt kam

Es klang nach Eleganz, Abenteuer und Ausschweifung: Als vor zehn Jahren Documenta, Venedig-Biennale und Skulptur Projekte gleichzeitig stattfanden, sprach man noch von einer "Grand Tour", auf die sich Kunstliebhaber begaben wie einst die verzogenen Söhne des europäischen Adels. Die drei Großausstellungen und die Kunstmesse Art Basel boten damals sogar auf der gemeinsamen Website www.grandtour2007.com dem Publikum Unterstützung bei der Planung der Reise an.

2017 spricht kaum jemand von einer "Grand Tour", obwohl wieder alle drei Großausstellungen parallel laufen und mit dem neuen Documenta-Austragungsort Athen die Tour noch größer geworden ist. Dem Vernehmen nach, sollte es auch in diesem Jahr eine gemeinsame Kampagne geben, was aber die Venedig-Biennale verhinderte. Stattdessen befinden wir uns in einem "Superkunstjahr". Das klingt schon mehr nach Arbeit und Stress, nach Superwahljahr und Entscheidungen treffen. Muss ich wirklich nach Athen? Spar ich mir die Art Basel? Nur Schlechtes von Venedig gehört ...

"Superkunstjahr" ist nicht unbedingt als Jahr der Superkunst gemeint, sondern als Superjahr der Kunst, sollte also eigentlich "Kunstsuperjahr" heißen. Aber das klingt holprig. Also ist 2017 Superkunstjahr. Die "FAZ", der "Tagesspiegel", die "Süddeutsche Zeitung", die "dpa", sie alle schreiben über das "Superkunstjahr". Das Kunstmagazin "Art" wirbt mit dem Slogan "Superkunstjahr, Superhefte, Super ART". Die "FAZ" veranstaltet im Herbst eine Konferenz in Berlin mit dem Titel "Der Kunstmarkt in Superkunstjahr 2017. Trends und Treiber." Und auch außerhalb der deutschsprachigen Welt findet das Superkunstjahr: als "art super-year", "süperkunstyear" und "Superkunstyear".

Traut man Google, der Hashtagsuche in sozialen Medien und der eigenen Erinnerung, ist das Wort "Superkunstjahr" tatsächlich erst seit dem Advent 2016 – genauer dem 22. Dezember – in der Welt: Da erschien die Januarausgabe von Monopol mit Björk auf dem Cover, hinter der Sängerin eine Weltkarte, und sie flüstert kichernd etwas in den Telefonhörer, wahrscheinlich: "Süperkunstyear, hihi!" Und im Button steht: "Der Reisebegleiter fürs Superkunstjahr":


Der erste Eintrag mit dem Stichwort "Superkunstjahr" am gleichen Tag bei Facebook:

 

Das Wort kam vielleicht mit dem Christkind oder dem Weihnachtsmann in die Monopol-Redaktion, auf jeden Fall eine Offenbarung und ein Blitz, und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

 

Sieben Monate später sind alle Eröffnungen gefeiert, die Documenta schließt am kommenden Sonntag schon wieder in Athen. Kann sein, dass das Superkunstjahr jetzt schon wieder vorüber ist, auch wenn im Herbst noch einige wichtige Großausstellungen wie die Istanbul-Biennale und die Lyon-Biennale eröffnen. Zurzeit spricht man aber lieber vom "Kunstsommer". Oder vielleicht auch mal einfach von "Sommer".

 

Update 10. Juli: Publizist Wolfgang Ullrich twittert: