Eingangs empfängt einen die Bronzeplastik eines Mannes mit Weste und Hut, gebieterisch den Weg weisend, der einen Schimpansen an der Hand hält wie ein Kind. "Komm Jörch, wir gehen", heißt die Skulptur von 2005. Der Großmaler Jörg Immendorff machte sich zum Affen, im Schatten seines Überprofessors Joseph Beuys. Den aber überzeichnete er karikaturesk und haute ihm seinen rheinischen Dialekt um die Ohren. Ein Exemplar der Plastik wurde 2016 bei der Achenbach Art Auction rekordmäßig versteigert, alles very Düsseldorf also.
Doch der schräge Ton des Auftakts verfliegt im ersten Saal sofort. Stattdessen das elektrisierende Gefühl, Kunst zu sehen, die mit dem, was heute produziert und diskutiert wird, überhaupt nichts zu tun hat. Die Dringlichkeit ist noch spürbar, die Anliegen längst nichtig. Es herrscht eine gute Hitze in dieser Kunst, durch Reibung an der bundesdeutschen Realität. Geteilte Republik. Rechtes Lager, linkes Lager. Mit Malerei gegen die "Bild"-Zeitung.
Jörg Immendorff, das spürt man in jedem seiner Gemälde, wollte unbedingt wirken. Er sägt in den 60ern pausbäckige Riesenbabys aus Pressspan aus, Aufsteller von offensiver Niedlichkeit. Vielleicht sind sie mit ihren aufgeblasenen Backen auch einfach Arschgesichter. "Fotonegerchen" heißt ein dunkelhäutiges dieser Babys, Aussparungen unter seinen feisten Armen, um Köpfe hindurchzustecken, Schwitzkasten satter Zufriedenheit. Das Haus der Kunst sortiert den Werktitel mit einem erklärenden Schild ein, der Künstler habe das keinesfalls herabwürdigend gemeint. Das Zeitgefühl ist spürbar.
Seit er 1977 das Gemälde "Caffè Greco" des italienischen Realisten Renato Guttuso gesehen hatte, die Innenansicht eines berühmten römischen Cafés, bevölkert von Zeitgenossen und historischen Persönlichkeiten, bat er malend immer wieder große Männer an einen Tisch und setzte sich dazu. Der Zyklus "Café Deutschland" wirkt heute hellsichtig und engagiert in die richtige Richtung. Man weiß, wie die Geschichte ausging. Aber wie war es damals, als Linker immer wieder mit der deutschen Teilung in die Öffentlichkeit zu gehen?
Das "Café Deutschland" war Bühnenraum für die Charakterrollen dieser Zeit (Heiner Müller, Robert Havemann, Geheimdienstagenten, Joseph Beuys, immer wieder der Künstler selbst). Die Requisiten: Hakenkreuze, Adler, deutsche Automobile, halb nackte Frauen, Stacheldraht, Gläser, Flaschen. In diesen Bildern steckt immer noch eine ungeheure Aggressivität, auch im Pinselstrich, mit der Immendorff in den 80er-Jahren zu einer Galionsfigur der "schlechten Malerei" wurde. Die Botschaft war zu dringend, um sich mit Details aufzuhalten. Außerdem hätte eine feinere Ausführung die enormen Formate zu toten Tableaus gemacht. So brennt die Hütte immer noch.
Immendorff brannte an zwei Enden: einmal im Kampf für die Malerei als relevantes Medium, zum anderen im Kampf um die eigene Geltung, über die Kunstwelt hinaus. Lederjackig, gestiefelt, schwer beringt. Doch findet man in seinem Werk auch immer etwas Verunsichertes, Zartes, Suchendes. Auch die selbstironische Affenwerdung ist verletzlicher, als sie zunächst scheint. Manchmal malte er sich selbst mit Rouge und langen schwarzen Wimpern. Seine letzten Gemälde strahlen eine andere Dringlichkeit aus, die nicht mehr auf die zeitgenössische Gesellschaft zielt, sondern auf ein Außerhalb.
Die wunderbar instabile "Kugelläuferin", ein Motiv, das er bei dem Dürer-Zeitgenossen Hans Baldung Grien geliehen hat, kann sich nur noch auf Krücken durch einen Wald aus Caspar-David-Friedrich-Bäumen fortbewegen. Abstrakte Formen, halb Geschwür und halb leuchtende Tiefseekreatur, kommen aus Sphären jenseits des Sichtbaren. Diese Bilder sind keine herausfordernden Rufe in die Runde mehr, sie behalten ein Geheimnis. Es ist seltsam, aber vielleicht wurde Jörg Immendorff erst in diesen letzten Bildern, die er gar nicht mehr selbst malen konnte, ganz und gar zum Maler.