Documenta-Teilnehmer

Der Künstler Lois Weinberger ist tot

Der österreichische Künstler Lois Weinberger ist im Alter von 72 Jahren gestorben. Mit seinen Pflanzen-Werken war er ein wichtiger Vordenker zum Thema Kunst und Natur

In Kassel hat Lois Weinberger bleibende Spuren hinterlassen. Das Gleis am nur sporadisch genutzten Hauptbahnhof, das er 1997 für die Documenta 10 bepflanzte, ist noch immer mit Neophyten aus Süd- und Südosteuropa überwachsen. Als Neophyten bezeichnet man Pflanzen, die durch menschliche Mithilfe (bewusst oder unabsichtlich) in neue Lebensräume gebracht wurden, in denen sie vorher nicht heimisch waren. Weinbergers Interesse für diese Arten zeigt schon, dass es ihm immer um beides ging: um die Natur und um den Menschen. Nun ist der 1947 im österreichischen Stams geborene Künstler gestorben.

Lois Weinberger verfolgte seit den 1970er-Jahren die Verbindungen von Natur und Gesellschaft "in präziser Achtlosigkeit" – bei seiner Arbeit ging es darum, so sagte er, "dabei zu sein, ohne einzugreifen“. Mit seinem Bahngleis zur Documenta 10 schuf Weinberger ein Sinnbild für die Migrationsprozesse unserer Zeit, auch bei der Documenta 14 in Athen und Kassel war er 2017 noch einmal dabei und zeigte in der griechischen Hauptstadt Fundstücke, die er unter dem Dielenboden des elterlichen Bauernhofs ausgegraben hatte. In Kassel ließ er beiläufig sogenannte Ruderal-Vegetation auf einem freigelegten Stück Boden in der Karlsaue wachsen.

Garten als Bedeutungsträger

Die Arbeit mit Pflanzen beschrieb für Lois Weinberger aber auch eine über die Gegenwart hinausreichende Dimension. Sie habe "mit archäologischen Prozessen zu tun, die gesellschaftliche Verbindungen ermöglichen", sagte er. "Den Wert eines Gartens sehe ich darin, ihn als Träger zur Bedeutungsentstehung zu sehen, die über ihn hinausweist und zur Nichtvergleichbarkeit führt."

2009 bespielte Weinberger den österreichischen Pavillon bei der Biennale in Venedig, in dem er einen riesigen verrottenden Laubhaufen zeigte. Unvergessen ist auch das Bild, auf dem Weinberger 1994 mit einer Gießkanne in der verwilderten Brachfläche am Brandenburger Tor im wiedervereinigten Berlin herumstapft. Von dieser Vegetation ist heute nichts mehr übrig, auf der Fläche steht inzwischen das Holocaust-Mahnmal. Pflanzen erzählen immer auch politische Geschichten von Veränderung - viele junge Künstlerinnen und Künstler, die sich gegenwärtig mit der Untrennbarkeit von Natur und Kultur beschäftigen, kommen auf diese Gedanken zurück. Die Saat des Lois Weisberger wird weiterwachsen.