Die NSA-Affäre hat kaum Spuren hinterlassen: Noch immer gibt es kein No-Spy-Abkommen zwischen den USA und Deutschland, noch immer keine breite Bewegung gegen die Verletzung von Bürgerrechten durch flächendeckende Überwachung. Literaturwissenschaftler Armen Avanessian, dessen Aufruf zur Beschleunigung (Stichwort: "Akzeleration") sowohl der Linken als auch der jüngeren Kunst der Post-Internet-Generation wichtige Impulse gab, wird nun selbst aktiv: im künstlerischen Umfeld. Gemeinsam mit dem Dramaturgen und Kurator Alexander Martos will Avanessian eine Art Graswurzel-Geheimdienst gründen: "DISCREET – An Intelligence Agency for the People". Und los geht’s im Herzen der Bundesrepublik, in der Akademie der Künste am Brandenburger Tor.
Hier, im Umfeld vom Bundestag, wo Kanzlerin Merkel ihre SMS checkt, und der US-Botschaft, wo die NSA diese SMS mitliest, sollen während der Dauer der Biennale eine Agenda festgesetzt und Agenten ausgebildet werden und mehrmals täglich öffentliche und nicht öffentliche Veranstaltungen stattfinden. Avanessian betont, dass es sich dabei nicht einfach um ein Symposium handelt, sondern um "performatives Nachdenken". Doch geht das nicht besser in der Wissenschaft als in der Kunst? Der Kunst traut der Theoretiker eine "politische Imagination" zu, die weitergehen kann. Das klingt nach einem zweiten Schlagwort, mit dem Avanessian bekannt geworden ist: "spekulativer Realismus".
Wie politisch ist also die Gegenwartskunst? Die Biennale versammelt viele Künstler einer Generation, die ganz neu mit Technologie, Kritik, Privatsphäre umgeht. Und da kommt die Akzeleration ins Spiel – Widerstand soll progressiv sein und die Mittel der Zukunft beherrschen, statt sie einfach abzulehnen: "DISCREET will die Edward Snowdens in spe ausbilden." Und das alles mit öffentlichen Geldern der Biennale!