Mit der Kunstbiennale in Venedig schließt auch der deutsche Pavillon, von der Berliner Künstlerin Maria Eichhorn als Nazi-Bau seziert. Die Verantwortlichen sind zufrieden. Und doch stehen Veränderungen an
Zum Abschluss der Kunstbiennale in Venedig haben die Verantwortlichen des deutschen Pavillons eine positive Bilanz der Vertretung auf der internationalen Schau gezogen. Die neben der documenta in Kassel wichtigste Präsentation für Gegenwartskunst geht an diesem Sonntag nach sieben Monaten zu Ende.
Die Berliner Künstlerin Maria Eichhorn hat mit "Relocating a structure" die Vergangenheit des Gebäudes sichtbar gemacht. Die Nazis hatten den als Bayerischer Pavillon errichteten Bau monströs erweitert. Eichhorn legte die Schnittstellen frei. Hinter dem Putz wurden zugemauerte Durchgänge sichtbar, ehemalige Außenwände, alte Verbindungen, Beton der Nazis auf gemauerten Wänden. Über den Katalog und Führungen in der Stadt thematisierte Eichhorn zudem den Widerstand in Venedig und die Folgen des Faschismus.
Der Beitrag sei von Beginn an sehr positiv aufgenommen und diskutiert worden, hieß es von Seiten des deutschen Pavillons. Als Teil der Arbeit wurden zweimal wöchentlich Führungen zu Denkmälern und Orten in Venedig angeboten, die an Aktivitäten des antifaschistischen Widerstands sowie an die Deportation der jüdischen Bevölkerung erinnerten. Die Stadtführungen - teils von Eichhorn begleitet - seien mit insgesamt mehr als 600 Buchungen sehr gut angenommen worden.
"Kaum ein anderer deutscher Beitrag davor hat den venezianischen Stadtraum in so enger Weise integriert", urteilte das für den Pavillon verantwortliche Institut für Auslandsbeziehungen. Eichhorn habe einen wichtigen Beitrag geleistet "zu der Art, wie Biennale-Beiträge gedacht werden sollten". Gerade in einer Stadt wie Venedig stehe das Verhältnis von Bewohnerinnen und Bewohnern zu Touristinnen und Touristen in einem starken Missverhältnis.
Intensive Wirkung
Auch aus Sicht von Kurator Yilmaz Dziewior war der Verlauf der Biennale für den deutschen Pavillon sehr erfolgreich, auch weil er viele Diskussionen ausgelöste habe. "Bei meinen Besuchen im Pavillon konnte ich erleben, wie intensiv der Beitrag von Maria Eichhorn auf einige Besucherinnen und Besucher gewirkt hat", sagte der Direktor des Museums Ludwig in Köln der deutschen Presse-Agentur. Für ihn auch interessant: "Der deutsche Pavillon gehört zu denen, die in den sozialen Medien die meisten Likes erhalten haben."
Eichhorn selbst sieht ihre künftige Arbeit durch ihre Auseinandersetzung mit dem Pavillon beeinflusst. "Für mich und meine Arbeitsweise hat sich in der Zusammenarbeit mit Gruppen vor Ort der künstlerische Ansatz erfüllt und eine Perspektive eröffnet, die über den eng abgesteckten Bereich der Biennale hinaus auf die Widerstandspotenziale von Kunst verweist, sobald sie sich auf gesellschaftliche Entwicklungen bezieht und sich gegebenenfalls mit diesen zusammenschließt", sagte Eichhorn der dpa in Berlin.
Die große Mehrzahl der Besucherinnen und Besucher habe die kritische Befragung der deutschen Geschichte sowie der Biennale als Institution positiv aufgenommen. "Sehr viele haben betroffen reagiert oder waren ergriffen", sagte Eichhorn. Nur eine Minderheit vor allem deutscher Besucherinnen und Besucher habe ablehnend reagiert. "Für sie ist der nationalsozialistische Baukörper des deutschen Pavillons Teil des Nationalerbes und es müsse Schluss sein mit Kritik an der deutschen Geschichte und Gegenwart", berichtete Eichhorn von ihren Eindrücken.
Die 60-Jährige hat im Biennale-Jahr mehrere Monate in der Lagunenstadt gelebt. "Ich habe in dieser Zeit in Venedig insgesamt acht Filme gedreht, die meinen Beitrag für den deutschen Pavillon vervollständigen und derzeit fertiggestellt werden", sagte Eichhorn.
Auffrischung durch Diversität
Die Künstlerin folgte etwa auf Gerhard Richter (1972), Joseph Beuys (1976), Hans Haacke (1993), Rosemarie Trockel (1999), Isa Genzken (2007) oder Christoph Schlingensief (2011). Mehrfach gab es für Arbeiten aus Deutschland Goldene Löwen, zuletzt 2017 für Anne Imhof.
In diesem Jahr verschaffte die Biennale der traditionell weiß und männlich dominierten Kunstszene eine Auffrischung in puncto Diversität. Mit der Auszeichnung von zwei international gefeierten Künstlerinnen der Black Community setze die Jury deutliche Zeichen. Die Britin Sonia Boyce und die US-Amerikanerin Simone Leigh erhielten mit zwei Goldenen Löwen die wichtigsten Preise der Kunstschau.
Auch die viel gelobte Biennale-Ausstellung "The Milk of Dreams" der in New York lebenden Kuratorin Cecilia Alemani hatte einen klar feministischen Einschlag. Unter den 213 Künstlerinnen und Künstlern aus 58 Ländern mit mehr als 1500 Arbeiten waren Frauen deutlich in der Überzahl. Alemani begründete dies mit "den größten Talenten". Die Biennale-Verantwortlichen sprachen von einer "unglaublichen Auflage" der Kunstschau. Sie haben ihre Bilanz für diesen Samstag angekündigt.
Mit dem Ende steht der deutsche Pavillon vor raschen Rückbauarbeiten, um Platz für die im Mai beginnende Architekturbiennale zu machen. Dabei sollen Reste früherer Arbeiten aber nicht entfernt werden. So wird auch der von Eichhorn freigelegte U-Bahn-Schacht, den Martin Kippenberger 2003 bauen lies, unter dem Gebäude erhalten bleiben.
Nach Kritik am Berufungsverfahren für den Kurator sind zudem Änderungen absehbar. Dziewior gehörte selbst dem Auswahlgremium an, ohne sich an der Wahl zu beteiligen. Das Verfahren werde insgesamt neugestaltet, hieß es beim Institut für Auslandsbeziehungen (ifa). "An einer Neukonzeption eines fairen und transparenten Berufungsverfahren arbeiten ifa und Auswärtiges Amt derzeit im engen Austausch."