Unterwegs in Kopenhagen

Demokratie und Geschäft

Am Wochenende fand zum dritten Mal die Code Art Fair in Kopenhagen statt. Ein Rundgang über die Messe und in der dänischen Hauptstadt

Das Messezentrum liegt wie eine kleine Satellitenstadt vor dem Stadtzentrum Kopenhagens, und die Fläche der Code Art Fair ist überschaubar: Die Verkaufsschau bedeckt gerade einmal das Erdgeschoss einer Halle. Dehydriert, weil man vergisst, etwas anderes zu trinken als Schaumwein und Kaffee, verengt sich die Wahrnehmung auf das, was da an den weißen Stellwänden hängt oder davor steht. 

Ganz vergessen lässt sich der Rest der Welt jedoch nicht, weil die Politik ihren Weg in den Kunstbetrieb findet, in den letzten Wochen mehr als sonst. Daniela Steinfeld von der Düsseldorfer Galerie Van Horn sagt zumindest, wenn man sie fragt, ob jemand mit antidemokratischen Ansichten überhaupt Kunst machen könne, das sei ja überhaupt nicht möglich. Denn, so Steinfeld, die Freiheit, Kunst machen zu können, und es dann auch zu tun, sei schon ein Bekenntnis zur Demokratie. 

Erst einmal geht es hier darum, Kunst zu verkaufen, aber das ist gar nicht so einfach. Woran man erkennt, dass es gut läuft, erklärt Moiz Zilberman, Inhaber der Zilberman Gallery mit Sitz in Istanbul und mittlerweile auch in Berlin. Wenn der Kunde in den ersten zehn Minuten nach dem Preis fragt, ist das ein gutes Zeichen. Von der VIP-Lounge, die komplett verglast wie eine Aussichtsplattform über der Messe schwebt, beobachtet er seinen Stand. Von hier sieht man auch, wie ein Messebesucher kommt, nach dem Preis fragt und sich von Galerieassistentin ein Gemälde erklären lässt. Der Interessent macht noch schnell ein Foto, verabschiedet sich höflich und geht.

Der Berliner Galerist André Schlechtriem empfiehlt, zum Stand von Equator Production zu gehen. Dort werden Künstlerteppiche ausgestellt. "Da kann man eine Arbeit von Rosemarie Trockel kaufen, und ein Teppich kostet nur den Bruchteil einer regulären Trockel-Arbeit." Also auf zu Equator Production, wo die Gründerin Petra Singh gerne Auskunft über die Teppiche gibt, die man nur mit eigens bereitgestellten Filzpantoffeln betreten darf. Dort hängt ein Teppich an der Wand von Jonathan Monk, mit einer Reproduktion eines Covers der Zeitschrift "Flash Art". Ein anderer von Rosemarie Trockel, "Jaune/Jeune". Gelb, wie der Titel vermuten lässt, Langflor mit Quadratmuster. Wird der Teppich demnächst zum Kunsttrend und zum Zeichen für den Rückzug ins Private? 

Aber, erklärt Singh, so neu ist das gar nicht. Mitte der 80er fing die Galeristin an, mit ihrem Mann Teppichentwürfe in Auftrag zu geben. Sie ließ die Teppiche in Nepal produzieren. Dann hörte sie auf, nahm das Geschäft aber 2013 wieder auf. Sie bat die Künstlerin Rosemarie Trockel um Unterstützung, die ihr mit ein paar Entwürfen weiterhalf. "Das ist kein Dekorationsobjekt", sagt Petra Singh, "denn die Künstler haben das als Medium gewählt. Deshalb werden die Teppiche in kleinen, signierten Auflagen hergestellt." Als nächstes steht ein Teppich von Julian Charrière an. Der will das Gewebe belichten, wie eine fotografische Platte. Ob das klappt, weiß Singh noch nicht.

Verlässt man die Messe, steht am Eingang ein Mann mit blond gefärbtem Haar. Die schwarze Anzughose um die Knöchel, das Hemd halb ausgezogen. Später, beim Abendessen erklärt jemand, das sei Teil des Rahmenprogramms "Performing Identities" gewesen, nämlich "Body oh boy nobody!" von Jacopo Miliani. Im Pressetext steht, es gehe um die Vielzahl von Identitäten, die man im Alltag an- und wieder ablegt. Die Besucher schauen kurz beschämt hin, gehen dann weiter.

Etwas nördlich der Freistadt Christiana, der einstigen Hippie-Utopie, liegt der neue Ausstellungsraum Copenhagen Contemporary, von privaten Stiftungen und der Stadt Kopenhagen finanziert. Der Strukturwandel von der Industriebrache zum kulturellen Zentrum hat Kletterhallen und Essensstände hervorgebracht, und zwischen den einstigen Containerterminals liegen nun auch 7000 Quadratmeter große Hallen, die sich besonders für Kunst mit großem Platzbedarf eignen. Gerade sind das zwei Installationen.

"One Two Three Swing!" von Superflex macht so viel Spaß, wie der Name verspricht. Zuerst gezeigt in der Turbine Hall der Tate Modern in London, sind Schaukeln überall im Raum aufgestellt, im zweiten Raum hängt eine riesige spiegelnde Kugel von der Decke, ebenfalls schaukelnd. Der Raum ist ausgelegt mit einem in den Farben der Euro-Noten gestreiften Teppich. Die Gruppe aus Kopenhagen will damit reagieren: auf die zunehmende politische Apathie, auf die Unfähigkeit angesichts der gegenwärtigen Krisen zu handeln. Man kann hier zu dritt schaukeln, und, so heißt es in der Beschreibung der Arbeit, eine kollaborative Energie spüren. Nun soll die Politik doch explizit und im Mikroformat in den Ausstellungsraum kommen. Bloß angesichts der riesenhaften Dimensionen der Installation fühlt man sich auf Kindergröße geschrumpft, und das selbtvergessene Schaukeln fühlt sich an wie eine Allegorie auf den Kunstbetrieb.

Im letzten Raum dann Doug Aitkens Film "Song 1" auf einer runden Riesenleinwand. Schauspieler und Musiker, darunter Tilda Swindon, singen den 1934 geschriebenen und oft gecoverten Popsong "I Only Have Eyes For You". 35 Minuten lang, im Loop. Wenn man die Installation verlässt ist man etwas ratlos — es geht um den maximalen Affekt, maximale Empathie, die ästhetischen Mittel werden voll aufgedreht, und beinahe hört man auf, sich zu fragen, was das alles soll. Aber so ganz lässt sich eben nicht vergessen, dass die Kunstschauen um den Rest der Welt und ihre Ereignisse kreisen wie Satelliten.