Umfrage

Wie stehen Galeristen zum Fall Axel Krause?

Der Fall Axel Krause beschäftigt die Kunstwelt. Wie stehen Galeristen zum Raufwurf eines Künstlers aus politischen Gründen? Eine Umfrage

Die Leipziger Galerie Kleindienst hat Mitte August die Zusammenarbeit mit ihrem Künstler Axel Krause beendet, weil die Galerie Krauses politische Ansichten weder teilen noch mittragen wolle. Der Künstler ist AfD-Wähler und äußert häufig auf Facebook seine politischen Ansichten. Der Schritt der Galerie wurde in den vergangenen Wochen heftig diskutiert: Mal wird die Entscheidung als ethisch verantwortungsvoll gefeiert, mal als Angriff auf die Kunstfreiheit verurteilt. Wir haben fünfzehn Galeristinnen und Galeristen aus Ost und West drei Fragen gestellt:

1. Können Sie den Schritt der Galerie Kleindienst nachvollziehen?

2. Was müsste passieren, damit Sie sich von Künstlern trennen?

3. Gibt es im Kunstbetrieb Sprechverbote oder Regeln, die die Freiheit der Kunst beschränken, wie manche befürchten?

Antworten haben wir bislang von fünf Galeristen erhalten:

Guido W. Baudach, Galerie Baudach, Berlin:

1. Ein "guter" Künstler muss kein "guter" Mensch sein. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen,  dass die Entscheidung der Leipziger Kollegen lediglich auf "moralischen" Gründen beruht.

2. Die Gründe, warum man sich von einem Künstler trennt, können vielfältig sein. Ausschlaggebend sollte beim Verhältnis Künstler-Galerist aber stets die Arbeit sein.

3. Ja, "Sprechverbote" gibt es tendenziell, auch im Bereich der Kunst, und sie haben in den letzten Jahren eher zugenommen. Andererseits werden heute auch wieder Dinge ausgesprochen, die vor einigen Jahren noch zum Ausschluss aus der öffentlichen Debatte geführt hätten. Ich beobachte diese Entwicklung in beiden Richtungen mit großem Interesse, aber auch mit einiger Besorgnis. 

Daniela Steinfeld, Van Horn, Düsseldorf:

1. Kurz und knapp: Ja.

2.  Für die Trennung von Künstlern und Galerien gibt es vielfältige Gründe. Ein sehr wichtiger Grund ist sicher die nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses.

3. Noch ist es nicht soweit. Es gibt Bestrebungen diverser Akteure, Kunst und Kultur ideologisch für ihre jeweiligen Ziele einzuspannen. Die Freiheit der Kunst und der Kulturinstitutionen darf nicht eingeschränkt werden. Was die Freiheit bedeutet und beinhaltet, wird immer wieder neu verhandelt. Debatten aller möglichen Couleur müssen möglich sein. Daraus resultierende Entscheidungen privater Unternehmen ebenfalls. Det is Demokratie, wa ;-))

Jan-Philipp Sexauer, SEXAUER Gallery, Berlin:

1. Ja. Ich hätte genauso gehandelt.

2.  Ich müsste das Vertrauen verloren haben. Galerist und Künstler arbeiten auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens. Wenn das nicht mehr vorhanden ist, kann sich die Galerie vom Künstler trennen oder der Künstler von der Galerie. Eine Weiterarbeit wäre für beide Seiten ohnehin nicht mehr fruchtbar; eine Trennung liegt somit im beiderseitigen Interesse.

3. Die Kunstfreiheit hat – wie alle verfassungsrechtlich garantierten Freiheiten – natürlich ihre Grenzen. Niemand darf das Haus seines Nachbarn niederbrennen mit der Behauptung, das sei Kunst. Die Behauptung aber, es gebe im Kunstbetrieb Sprechverbote auch für legale Meinungsäußerungen, halte ich für Quatsch. Keiner verbietet dem Künstler oder dem Galeristen, seine Meinung zu äußern. Wenn einer von beiden sich in einer Weise äußert, die dem anderen missfällt, kann dieser gehen. So einfach ist das. Beide sind frei. Verbieten kann nur der Staat.

Nina und Jens Mentrup, KM, Berlin:

1. Ja.

2. Wir arbeiten an dem Programm unserer Galerie durch langfristige Zusammenarbeit mit den KünstlerInnen, die wir vertreten. Die Zusammenarbeit entsteht durch jahrelange Auseinandersetzung und Kommunikation. Sie entwickelt sich nicht aufgrund einer marktorientierten Entscheidung, sondern ist von der Relevanz der Werke, ihrer Position in einem gesellschaftlichen Diskurs bestimmt. Wenn man gemeinsam wächst, kann idealerweise eine Familie entstehen, die sich gegenseitig trägt. Eine Familie, in der die Freiheit immer die Freiheit des anderen sein sollte. Es geht immer wieder um die gefühlte Freiheit, ein Werk gemeinsam sichtbar zu machen. Das ist für uns nur durch eine ständige Auseinandersetzung mit den Themen der KünstlerIn möglich.  Manchmal fällen KünstlerInnen Entscheidungen oder nehmen eine Haltung ein, die man nicht mittragen kann, und man muss neue Ziele definieren - man begleitet sich auf einer anderen Ebene weiter, oder muss zumindest eine Zeit lang getrennte Wege gehen. 

3. Nein. Man muss mit den Konsequenzen der eigenen Haltung leben können.

Markus Peichl, Crone, Berlin Wien:

1. Darf man Künstler aus seiner Galerie schmeißen, weil sie rechtspopulistisches, demokratiefeindliches Gedankengut verbreiten? Ich würde sagen, ja. Aber wenn man es tut, dann muss man es schlau, fundiert, überzeugend, ja sogar leidenschaftlich begründen. Wenn man sie nur mit ein paar lauen, halbherzigen Floskeln verabschiedet, spielt man ihnen in die Hände. Man ermöglicht ihnen, sich als Opfer, Verfolgte und Ausgegrenzte zu fühlen. Man macht es ihnen leicht, sich als Gegenposition zu einem Meinungs- und Gesinnungskartell zu stilisieren, das sie bekämpfen und aufbrechen wollen. Damit ebnet man ihnen und der neuen Rechten nur den Weg, für sich die Funktion einer politischen Avantgarde gegen das Establishment zu beanspruchen. Deshalb: Nur "Tschüss" sagen und zum "business as usual" übergehen, reicht einfach nicht mehr. Wir stecken - als Galeristen genauso wie alle anderen – angesichts der tiefgreifenden politischen Veränderungen einfach in der Pflicht, solche Debatten und Auseinandersetzungen wirklich mit aller Kraft und Intensität zu führen, sobald wir uns auch nur irgendwie damit konfrontiert sehen.

2. Die Frage ist sehr hypothetisch. Aber ich bin, angesichts der Entwicklungen in der Welt und in der Kunst auf alles gefasst.

3. Klar gibt es die. Gab es immer, und sie werden im Zweifel mehr. Deshalb gilt, was ich zur ersten Frage gesagt habe: Wir müssen wieder leidenschaftlich für die Vorstellung einer pluralistischen, toleranten, weltoffenen, universellen Demokratie kämpfen, wir müssen diese Demokratie – auch in und durch die Kunst – wieder zu einem Sehnsuchtsort machen, und zwar zu einem, der sich nicht nur uns selbst und unseren Buddies in den Echokammern erschließt, sondern auch denen, die sich zusehends den anderen, den autokratischen Fantasien hingeben.