Frau Singh, wie ist die Vorbereitung Ihrer Ausstellung im Gropius Bau für Sie verlaufen?
Es fühlt sich sehr ruhig an. Und es fühlt sich an, als ob sich alles zusammengefügt hat, da ist keine Angst oder Nervosität mehr. Jetzt liegt es wirklich in den Händen des Publikums und dem, was es hineinliest. Die Ruhe kommt, glaube ich, aber auch daher, dass ich das Material für diese Arbeiten schon vor Jahren gemacht habe. Die Fotografien in diesem Raum, in dem wir sitzen, sind zum Teil 40 Jahre alt. Und zusätzlich arbeite ich natürlich auch mit einer der besten Kuratorinnen zusammen. Das macht einen großen Unterschied. Meine Arbeiten sind nur eine Seite, aber wie der Kurator oder die Kuratorin einem hilft, sie sich im Ausstellungskontext vorzustellen, das ist eine ganz andere Ebene. Und das hat bei dieser Ausstellung wunderbar funktioniert. Es war von Anfang an klar, dass wir dasselbe wollen, nämlich die Arbeiten so zugänglich wie möglich zu machen. Gerade wenn man mit dem Medium Fotografie arbeitet, geht es um die Verbreitung. Es geht nicht nur um das Bild, das Bild ist nur ein kleiner Teil des Ganzen. Die Art und Weise, wie man das Bild weitergibt, ist wirklich wichtig. Wenn ich also eine Atmosphäre schaffen kann, in der man sich hinsetzen und das Werk in sich aufsaugen kann oder wenn man drum herum gehen muss, sich bücken muss, sich mit seinem Körper beschäftigen muss, dann ist das das Wichtige. Es geht also nicht nur ums Sehen, sondern um eine körperliche Erfahrung.
Wie sind Sie zu diesem körperlichen Zugang gekommen, was war Ihre Inspiration?
In den Anfangsjahren meiner Arbeit wurden Fotografien meist gerahmt und an der Wand befestigt gezeigt. Vielleicht ist das immer noch so. Und jedes Mal, wenn ich den Raum betrat, hatte ich das Gefühl, dass man alles in einem Schwung aufnehmen konnte. Für mich ist die Fotografie aber eine sehr physische Sache. Man sieht sich Abzüge in Schuhkartons an, man hat sie in seinem Tagebuch und auf dem Tisch, in Alben, sie fallen einem aus den Manteltaschen - Bilder sind also überall um uns herum. Und doch hatten die Räume der Kunst, die ich kannte, irgendwie einen bestimmten Standard dafür, wie sie zu sein haben sollten. Und weil ich mit dem Museum of Modern Art und dem San Francisco Museum of Modern Art nicht so vertraut war, dachte ich immer: "Vielleicht haben die Leute im Westen bessere Ideen." Und dann reiste ich, ging in die Museen, aber musste feststellen, dass es immer nur um den Druck an der Wand ging, der in keiner Relation zur Architektur des Raumes stand. Also beschloss ich, eine Form zu schaffen, in der ich mit der Architektur des Raumes spielen und die Bilder so anordnen konnte, dass man sich mit seinem Körper auseinandersetzen muss. Aber auch, dass sich die Ausstellung ständig verändern kann.
Wollen Sie die Betrachter und Betrachterinnen also auch dazu ermutigen, die Anordnung Ihrer Werke zu verändern, oder ist es nur Ihre Aufgabe, das zu tun?
Das ist meine Aufgabe und die der Kuratorinnen und Kuratoren. Aber mit meinen Buchobjekten verhält sich das anders. Man kann sie erwerben und hat dann mit "Museum Bhavan" zum Beispiel neun meiner installativen Arbeiten für sich im Kleinformat, die man nach Belieben aufstellen kann, wo immer man möchte. Ich denke also, ja, es gibt Teile meiner Arbeit, die ich dem Publikum überlasse, um zu sagen: "Macht, was ihr wollt!" Und glauben Sie mir, es ist natürlich ein großes Privileg, im Gropius Bau auszustellen, aber es ist ein ebenso großes, im Haus der Besucherinnen und Besucher zu stehen. Denn hier, im Gropius Bau, ist die Schau vergänglich, aber wenn sie in Ihrem Haus ist und Sie sich mit den Objekten beschäftigen, halten Sie meine Arbeit lebendig.
Die Bedeutung und der kreative Prozess setzen sich also in den Betrachterinnen und Betrachtern fort.
Ganz genau. Und sie werden meine Archivare und Archivarinnen. Wenn Sie eines meiner Objekte besitzen, werden sie sich immer darum kümmern. Man hat nicht einfach etwas auf Amazon angeklickt und es kurze Zeit später geliefert bekommen – die Leute sind in die Ausstellung gekommen, haben ihre Erfahrungen gemacht. Und das Gleiche gilt für die "Museum Bahavan"-Boxen, die so gemacht sind, dass man sich entscheiden muss, welche Box man haben möchte. Denn jede Schachtel ist von außen einzigartig, innen ist sie aber gleich. Und weil man sich für seine ganz eigene entschieden hat, besitzt man sie anders. Ich weiß nicht, ob das Sinn macht, oder?
Doch, durchaus!
Noch einmal: Es ist also nicht so, als würden Sie zu Amazon oder H&M oder so etwas gehen. Sie haben sich für dieses spezielle Produkt entschieden.
Und sie haben es vorher in der Ausstellung selbst erlebt, hatten also einen physischen Kontakt zum Objekt.
Genau! Ich hoffe also, dass solche Vorgehensweisen die Landschaft, wie wir uns Fotografie vorstellen können, ein wenig verändert. Und ich bin ja auch nur eine Person, ein Verstand. Wenn wir also die Fotografie öffnen, wissen wir nicht einmal, welche Formen sich daraus alle ergeben werden.
Ich habe festgestellt, dass jedes ihrer "Museen" einen eigenen thematischen Komplex zu haben scheint. Ist das so?
Es ist nicht wirklich so, aber ich bezeichne es so, damit sie als Besucherinnen und Besucher denken, dass es so ist. Einige der "Museen" haben zum Beispiel zwei Namen. Beim "Museum of Little Ladies" denkt man, dass es sich eben um "Little Ladies" handelt. Aber dann habe ich den Namen in "Museum of Time" geändert, denn das "Museum of Little Ladies" umschließt einen Zeitraum von 20 Jahren, in manchen Fällen sogar 50. Es ist also auch ein "Museum of Time". Und das "Museum of Little Ladies" ist ein Geschwistermuseum des "Museum of Files". Es gibt also all diese Verbindungen innerhalb meines Werks, die sich Ihnen erschließen werden, wenn Sie sich dafür interessieren und wenn Sie dem Werk etwas Zeit geben. Ansonsten schaut man es sich einfach an und sagt: "Ja, schöne Fotos!", aber wen interessiert das schon?
Also ist jeder Themenkomplex mehr oder weniger fluide?
Ja und das ist so wichtig! Es liegt an Ihrer Generation, diesen Gedanken zu pflegen. Denn meine Generation war sehr starr in Bezug auf die Art und Weise, wie man Fotografie in Institutionen und Galerien zeigt.
Ist diese Fluidität innerhalb Ihrer Arbeit auch in einer politischen Dimension zu verstehen, wenngleich vielleicht nicht von Ihnen selbst erdacht, so doch im Kopf der Betrachterinnen und Betrachter?
Unbedingt! Mir ist es dabei auch wichtig anzumerken, dass die Fotografie eigentlich eine Lüge ist. Das haben wir von Anfang an gewusst. Es ist nur so, dass sie irgendwie mit der Wahrheit gleichgesetzt wurde. Ich denke allerdings, dass Fotografie die Wahrheit von niemandem ist, außer den Fotografinnen und Fotografen selbst. Und auch die ist fließend. Wenn ich zum Beispiel dieses Bild hier wegnehme, spielt sich eine ganz andere Geschichte ab (sie tauscht zwei Fotografien in den Feldern des "Museums", vor dem wir sitzen), als wenn ich diesen Mann hier hin sortiere. Die Bilder ändern ihre Bedeutung, je nachdem in welchem Kontext sie stehen.
Also ein bisschen wie bei einem Storyboard für einen Film - die Betrachterinnen und Betrachter sind die Konstrukteure, fügen die Bilder gedanklich zusammen und entwickeln ihre eigene Dramaturgie.
Ganz genau.
Viele Ihrer Arbeiten sind in Schwarz-Weiß fotografiert. Wie kommt es, dass Sie die Schwarz-Weiß-Fotografie als Ihre bevorzugte Ausdrucksform gewählt haben?
Nun, ich würde es einfach meine eigene Sprache nennen, ich wurde schließlich in Schwarz-Weiß ausgebildet. In der Dunkelkammer etwa konnte ich besser mit Schwarz-Weiß arbeiten, um Abzüge zu machen. Aber da ist auch noch eine der vielen Bürden der Fotografie, nämlich ihre Faktizität. Und ich möchte wiederum erreichen, dass es auch um etwas anderes als diese Faktizität geht. Das Schwarz-Weiß-Foto ermöglicht mir das sofort, es hilft, den zeitlichen Kontext wegzunehmen. Früher hat man immer gesagt: "Wo wurde das Foto aufgenommen?" oder "Wann wurde es aufgenommen?". Nur welchen Unterschied macht es für Sie überhaupt, zu wissen, wann es aufgenommen wurde oder wo? Für andere Leute sind solche Fragestellungen an Fotografien völlig in Ordnung, aber für mich ist es eben nicht das, was mich an der Fotografie interessiert. Man muss seine eigenen Formen für die verschiedenen Arten von Ausgangsmaterial finden. Es gibt in dieser Ausstellung kein vordefiniertes Schema. Wenn es ein Schema gibt, dann das, dass keins existiert, dass die Werke irgendwie selbst bestimmen, was sie sein werden. Und dann wiederum sollte sich auch die Anordnung der Einzelbilder in meinen Werken möglichst ständig ändern, damit die Arbeiten beim nächsten Besuch der Ausstellung nicht mehr gleich aussehen. Es findet also ein Tanz auf der Wand und auch in den Bildern statt.
Sie verändern das Arrangement der Einzelbilder in Ihren Werken also kontinuierlich?
Ja, ganz genau.
Und ermutigen Sie auch die Kuratorinnen und Kuratoren dazu, sofern Sie selbst nicht anwesend sind?
Ja, auf jeden Fall. Ich werde das zum Beispiel morgen oder heute bei einem Treffen mit einigen der Kuratorinnen und Kuratoren besprechen. Ich möchte sie zu Botschaftern der verschiedenen "Museen" ernennen. So kann vielleicht eine ganz besondere Bewegung in meine Arbeiten einfließen. Und mit Bewegung meine ich, dass die verschiedenen Verantwortlichen der einzelnen "Museen" ihre Anordnung ständig verändern oder die räumliche Struktur auf unterschiedliche Weise öffnen und schließen. Das wird die Erfahrung mit den Werken beeinflussen.
Drucken Sie eigentlich noch immer analog oder mittlerweile digital?
2013 bin ich auf Digitaldruck umgestiegen, weil das Papier, auf dem ich früher gedruckt habe, nicht mehr verfügbar war. Aber ich bevorzuge eigentlich die Qualität des Offsetdrucks im Vergleich zum Digitaldruck. Deshalb bezeichne ich mich manchmal auch als "Offset-Künstlerin".
Heute beginnen viele Menschen, vor allem junge Leute, wieder analog zu fotografieren. Was würden Sie sagen, ist der Grund oder die Inspiration dafür analog zu fotografieren? Warum ist das gerade so ein Hype?
Es ist das Geschenk der Zeit. Die Zeit zum Sehen, die Zeit zum Empfangen. Jede Phase der analogen Fotografie ist zeitaufwendig und kostet Geld. Wenn man eine Filmkamera hat, hat man eine ganz andere Verpflichtung gegenüber der Fotografie. Der wichtigste Unterschied für mich ist, dass man nicht löschen kann. Und Gott sei Dank konnte ich nicht löschen, sonst würde dieser Raum hier nicht existieren. Denn keines dieser Bilder war für mich in den 1980er-Jahren wichtig, weil niemand sonst dachte, dass sie wichtig seien. Ich habe sie nicht einmal gesehen. Aber ich habe sie nie gelöscht. Und das ist vielleicht der größte Vorteil der analogen Technik: dass ich heute fast jedes Bild besitze, das ich in meinem Leben gemacht habe. Wenn Sie mich nicht als Fotografin oder als Künstlerin betrachten, bin ich immer noch eine Archivarin. Und das nur, weil ich die meiste Zeit davon analog gearbeitet habe.
Welchen Stellenwert, glauben Sie, wird die Fotografie zukünftig in unserer Welt haben?
Ich denke, sie ist die wichtigste Sprache, die die Welt zu untersuchen hat. Jede Schule sollte Bildwissenschaft unterrichten, denn die Art von Propaganda, die im Bild stattfindet, ist viel größer als die des Textes. Einen Text können wir alle lesen. Aber wir kennen die Bedeutungsebenen des Bildes nicht, weil wir nicht in jeder Schule Bildkunde haben. Wir brauchen das aber, genauso wie wir das Sprachlernen brauchen. Andernfalls werden wir weiterhin manipuliert, weil wir nicht verstehen, dass die Fotografie eine Lüge ist oder dass sich ihre Bedeutung ständig ändern kann - wie bei einem Foto mit einer anderen Bildunterschrift. Fotografie ist jedermanns Sprache, aber jeder sollte auch verstehen, wie man durch Fotografie manipuliert wird, etwa durch all die subtilen Botschaften, die in das Bild einfließen. Außerdem denke ich, dass die Kraft eines Standbildes oder eines Fotobuches eine ganz andere ist, als zum Beispiel von Fotos auf Instagram. Je länger man sich ein Bild ansieht, wenn es ein gutes und starkes Bild ist, desto mehr verschiedene Bedeutungen kommen zum Vorschein. Es kann einen also lange Zeit beschäftigen. Am wichtigsten aber, glaube ich, ist die Tatsache, dass Fotografien ein Archiv erschaffen. Sie sind ein Dokument deiner Zeit. Mir ist mittlerweile klar, dass ich Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt immer wieder an dieselben Orte und zu denselben Menschen gereist bin. Es gibt also einige Leute, die seit 40 Jahren auf meinen Fotos zu sehen sind. Mein Archiv ist also nicht riesig, was die Breite angeht, aber es hat eine Tiefe von vier Jahrzehnten. Und was ich jüngeren Fotografinnen und Fotografen nur empfehlen kann, ist, das zu finden, was einen wirklich interessiert – und es fotografieren. So baut man sich ein eigenes Archiv auf. Es gibt also diesen Aspekt der Fotografie, der hoffentlich erhalten bleibt: das Dokumentarische.