"In der Kunst geht es darum, etwas zu teilen. Man ist kein Künstler, wenn man nicht versucht, eine Erfahrung oder einen Gedanken zu teilen", bemerkte der britische Maler David Hockney einmal. Steht man nun in der Berliner Gemäldegalerie vor seinen vier riesenhaften Gemälden und ihrem wiederkehrenden Motiv, einer Baumgruppe im Wandel der Jahreszeiten, wird zunächst nicht ganz klar, was der mittlerweile 86-jährige, hochdekorierte Künstler mit seinem Zyklus vergegenwärtigen will.
Wie auch, hat man es mit der Landschaftsmalerei ja seit der Absage an neuzeitlich-idealisierte Kompositionen oder romantische Religionsallegorien mit einer meist eher mäßig bedeutungstragenden Form der Kunst zu tun. Der Faszination für die aktuell in der Wandelhalle der Gemäldegalerie gezeigten großformatigen Arbeiten des Briten tut das jedoch keinen Abbruch – gerade ihr strahlender und doch maßvoller, in sich gekehrter Charakter scheint ihre Anziehungskraft auszumachen.
Es ist nicht ganz einfach zu beschreiben, was Hockneys Jahreszeitenzyklus "Three Trees near Thixendale" so bemerkenswert macht. Drei Bäume inmitten eines Kornfeldes in seiner Heimat Yorkshire, weit ausladende Kronen, begrüntes Geäst, im Hintergrund die hügelige Einöde der nördlichen Pampa Englands, satte Farben, verschiedene Lichtstimmungen, das scheint zunächst gar nicht so besonders. Und doch geht von den Gemälden ein eigenartiger Reiz aus. Bezeichnend ist ihr stilistischer Schwebezustand – ein Balancieren zwischen klar zeitgenössischer Ausführung und historischen Zitaten.
Im Geist der Impressionisten
Hockneys Bildsprache negiert die künstlerischen Prinzipien und Formen der Landschaftsmalerei der letzten Jahrhunderte nicht – im Gegenteil, er trägt ihnen Rechnung, studierte über Jahre hinweg akribisch historische Vorbilder, malt im Geiste der Impressionisten teils "plein air", also draußen im Freien. Auch die Serialität des Motivs übernahm der Künstler aus dem Fundus impressionistischer Arbeitsweisen. Der 86-Jährige zitiert außerdem gern Vincent van Gogh, sein großes Vorbild.
Von ihm soll er seine Aufteilung des Bildraums entlehnt haben, genauso wie die Fähigkeit, mit wenigen lakonischen und doch wohlplatzierten Strichen, Schnörkeln und Tupfen Temperament und Unmittelbarkeit zu erzeugen. Und so wirken die großformatigen Arbeiten Hockneys wie ein zeitgenössisches Amalgam aus impressionistischer Tradition, postimpressionistischer Malweise und expressionistischer Farbigkeit – und zeigen doch ganz eigene stilistische Züge.
Das Hockney-Gastspiel in der Gemäldegalerie spürt der Historie der Landschaftsmalerei aber noch weiter nach. Die Schau "Landschaften im Dialog" umfasst um die 20 Gemälde aus über fünf Jahrhunderten. Den Stars der Ausstellung, den Hockney-Leihgaben aus der Sammlung des Unternehmers Reinhold Würth, werden prominente Werke aus der Sammlung der Gemäldegalerie Berlin gegenübergestellt. Jacob van Ruisdaels "Eichen an einem See mit Wasserrosen" aus dem 17. Jahrhundert verdeutlichen etwa die einschüchternde Monumentalität und Dramatik von hochgewachsenen, verschatteten Bäumen. Und auch die erst vor kurzem Rembrandt van Rijn zugeordnete "Landschaft mit Bogenbrücke" zeigt, wie meisterhaft natürliche Lichtsituationen selbst im Kleinformat auf die Leinwand gebracht werden konnten.
Zu dunkel, zu roh, zu ehrfurchteinflößend
Doch auch wenn der Schnellabriss der europäischen Landschaftsmalerei aus der Sammlung der Gemäldegalerie durchweg interessant zu begutachten ist und viele Querverbindungen zu Hockney aufzeigt - neben der Prominenz der vertretenen Altmeister bleibt es dennoch schade, dass sich besagte impressionistische oder expressionistische Beispiele von Landschaftsmalerei in der Schau nicht wiederfinden.
Das mag am Bestand der Sammlung der Gemäldegalerie liegen, deren Fokus auf Mittelalter-, Renaissance- und Barockkunst liegt. Dennoch offenbaren sich Schwächen des kuratorischen Konzepts. Denn auch wenn ein Rembrandt van Rijn oder ein Thomas de Gainsbourg die Landschaftsmalerei nachhaltig prägte und somit auch Hockney zwangsläufig in deren Tradition steht - stilistische Vergleiche ließen sich einleuchtender anhand von vielfältigeren Beispielen ziehen.
Zu dunkel, zu roh, zu ehrfurchteinflößend wirken die im Dialog stehenden Werke der Gemäldegalerie. Der Hockney im Geiste doch so nahe Van Gogh etwa wird "nur" in zwei Rohrfederzeichnungen ausgestellt, expressionistische Beispiele von Landschaftsmalerei, jene von August Macke oder Ernst Ludwig Kirchner zum Beispiel, sucht man vergebens. Und das, obwohl doch gerade Impressionismus und Expressionismus, die Wortbedeutungen legen es schon nahe, von Innerlichkeit und Empfindungen leben – und damit dem künstlerischen Anliegen eines Hockneys eigentlich viel näher stehen.
Die Gefühlwucht der Bäume
Auch, wenn der Maler sich historischer Kompositionen, Malweisen und Licht- und Schattenspielen bediente – Hockney versucht nicht, die Natur realistisch abzubilden. Dafür sind seine Werke nicht nur durch ihre strahlende Farbigkeit zu artifiziell, allein die Zusammensetzung der großformatigen Bilder aus je acht Einzelleinwänden unterstreicht ihre Künstlichkeit.
David Hockney ging es in den 2007 und 2008 gemalten Bildern vielmehr um eine malerische Umsetzung von Empfindungen. Auf den ersten Blick subtil, offenbart sich erst nach tieferer Betrachtung deren Gefühlswucht. Insbesondere die jahreszeitlichen Extremzustände "Summer" und "Winter" stehen dafür exemplarisch. Der Sommer glüht in flirrender Hitze, die Wärme, das gleißende Licht scheint sich förmlich aus der Leinwand heraus in den Betrachterinnenraum zu ergießen. Dagegen verharrt der Winter in einer eisigen Melancholie.
Nahbar und intuitiv – dieser Eindruck charakterisiert die "Three Trees near Thixendale". Und so wird der vierteilige Zyklus doch dem Eigenanspruch David Hockneys gerecht, etwas zu teilen: Emotion.