Hätte die Ästhetik einen Geruch, wäre es vermutlich eine Mischung aus frisch gemähtem Rasen, Papier und Moschus. So in etwa könnten Elite-Internate und ihre Schüler und Schülerinnen duften, an denen sich der sogenannte "Preppy Chic" seit Jahren bedient. Doch die ambivalente Faszination für den Schulmädchen-Look besteht nicht erst seit dieser Saison, in der Marken wie Miu Miu, Prada und Gucci Laufsteglooks aus Faltenröcken und weißen Blusen kreiert haben. Die Kunst ging all dem weit voraus.
Schon im 19. Jahrhundert entstand die Skulptur "Das Schulmädchen" des Impressionisten Edgar Degas, die in ihrer Machart dem berühmtesten Werk des Künstlers, "Kleine vierzehnjährige Tänzerin", ähnelt. Es zeigt ein junges Mädchen, das auf dem Weg zur Schule zu sein scheint. Sie trägt einen langen Rock, darüber einen Mantel, auf dem Kopf einen Hut. Sie hält sich mit der einen Hand an ihrem langen, geflochtenen Zopf fest. Max Liebermann, ein Zeitgenosse Degas', malte 1897 mit der Reihe "Schulgang in Laren" mehrere Bilder von jungen Mädchen, die sich, wie auch die von Degas dargestellte junge Frau, auf dem Weg zur Schule befinden. Der Schweizer Maler Albert Anker wiederum malte schon knapp 20 Jahre vor Liebermann ein lernendes Kind. Das Gemälde "Schulmädchen bei den Hausaufgaben" von 1879 zeigt ein blondes Mädchen, die etwas auf einer Schreibtafel auf ihrem Schoß notiert.
Bei den abgebildeten jungen Frauen mag es sich jeweils um "Töchter aus gutem Hause" handeln, schließlich standen Schulen zu dieser Zeit nicht allen, vor allem nicht allen Frauen offen. Aber auch für finanziell und gesellschaftlich gut situierte Mädchen war Bildung lange nicht selbstverständlich. Gemälde, die Frauen mit Bildungs-Insignien, etwa Büchern oder Schreibbedarf, zeigen, haftet die Darstellung des Ausbruchs an. Lesende Frauen galten mitunter als gefährlich, die Hinwendung zu Literatur und Bildung wurde zugleich als Abkehr von "weiblichen Pflichten" in Familie und Haushalt verstanden. Gerade diese kleine Flucht aus dem sehr beschränkten häuslichen Alltag mag es gewesen sein, was schon Maler wie van Gogh, Vermeer und Rembrandt dazu bewogen hat, lesende Frauen darzustellen.
Britney Spears und der male gaze
So wie sich das Frauenbild im Westen in den letzten 300 Jahren glücklicherweise weiterentwickelt hat, hat sich auch die Wahrnehmung und Darstellung von Schulmädchen verändert. Britney Spears, die in ihrem Musikvideo "Baby one more time" in Kniestrümpfen, Bluse und geflochtenen Zöpfen durch eine Highschool tanzt, hat nur noch wenig mit der Vorstellung von Bildung zu tun, dafür aber viel mit dem male gaze, also dem Nachformen des männlichen Blicks auf Frauen in Filmen und Videos.
In dem Clip wird dieser auf die Spitze getrieben: Die Vorstellungen der Jugend und Unschuld, die mit Schülerinnen assoziiert sind, werden zur sexuellen Fantasie geformt. Nicht nur bei Spears, sondern auch bei weiteren popkulturellen Darstellungen von jungen, gebildeten Frauen entfallen die Insignien für Wissen weitgehend, bestehen bleiben zur Kontext-Markierung lediglich verschiedene Formen von Schuluniformen. Diese markieren aber weit mehr als Gelehrsamkeit. Obwohl Uniformen heute vor allem vor dem Hintergrund von Gleichheit diskutiert werden, stehen sie popkulturell für das genaue Gegenteil: Distinktion, Elite, Privatschulen, Geld und höhere Bildung.
Die Begeisterung für die Oberschicht, die durch den "Old-Money-Style" und die Serie "Succession" zum Trend wurde, gingen bereits viele Serien voraus. Man denke an die "Gilmore Girls" und die Ambition der Protagonistin Rory, in Harvard oder Yale aufgenommen zu werden, genauso wie an "Gossip Girl". Zu den legendärsten Szenen der 2000er-Serie, deren Hauptfiguren Jugendliche aus der Upper East Side sind, gehören die, in denen die Freundinnen Serena und Blair in der großen Pause in ihren Privatschul-Uniformen auf den Stufen des Metropolitan Museum sitzen. Neben den vielen Dramen in ihrem Privatleben gehört es auch hier zu den wichtigsten Bestrebungen der Jugendlichen, an einem Ivy-League-College akzeptiert zu werden.
Dieses Motiv taucht auch in der aktuellen Amazon-Prime-Serie "Maxton Hall" auf. Nach Oxford zu kommen ist das allumfassende, die Handlung bestimmende Ziel der Hauptfigur Ruby. Die deutsche Serie ist das erfolgreichste Angebot des Streamingdienstes, das nicht aus den USA kommt. Ihr Setting: eine fiktive, prestigeträchtige Privatschule in England. Schuluniformen, holzvertäfelte Studierzimmer mit hohen Decken und Kostümbälle inklusive, obwohl es sich um eine deutsche Produktion auf Grundlage eines deutschen Buches einer deutschen Autorin handelt. Die Welt, die in "Maxton Hall" dargestellt wird, trieft nicht nur von Klischees über arm und reich, sondern treibt die romantische Vorstellung von Eliteschulen, bei denen die Realität auf der Strecke bleibt, auf die Spitze.
Bei all den Erfolgen dieser Filme und Serien, deren Liste sich noch ewig fortführen ließe (man denke an "Harry Potter", die Netflix-Produktion "Elite" oder das Highschool-Drama "Euphoria") ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Mode an der Faszination für englische und US-amerikanische Privatschulen oder Colleges bedient. Der sogenannte "Preppy Chic" (Preppy steht hier als Abkürzung für "Preparatory School") ist angelehnt an Schuluniformen und besteht aus Faltenröcken, Hemden und Blusen, Tweedjacken und Button-Down-Shirts, kombinierbar mit Blazern, Pullundern, Kniestrümpfen und dunklen Lederschuhen im Mary-Jane-Stil.
Ein schmaler Grat
Wer sich an Blaire Waldorf aus "Gossip Girl" halten will, setzt sich noch einen Haarreif auf. Am besten sollten alle Kleidungsstücke faltenfrei gebügelt sein, versteht sich. Preppy soll ordentlich, hochwertig und zeitlos sein, man denke dabei an den "Quiet-Luxury"-Trend. Im Gegensatz zu diesem aber hat der "Preppy Chic" noch weitere Spielarten. Während die unauffällige Luxus-Mode klassisch und wenig aufreizend ist, erinnert der Schul-Schick zuweilen an die rebellischen jungen Frauen, die ihre Uniformen umschneidern, weil sie ihnen zu langweilig oder spießig sind. Die freizügige Abkehr vom adretten Aussehen imitiert der "Preppy Chic" mit superkurzen Röcken zu bauchfreien Hemden.
Es ist ein schmaler Grat zwischen weiblicher Emanzipation, sich selbstbestimmt an strengen, vorbestimmten Schuluniformen zu bedienen und der Befriedigung des male gaze. Viele K-Pop-Fans nutzen den Look mit kurzen Röcken und Hemden, auch in der queeren Szene sind unterschiedliche Stile beliebt, bei denen bewusst mit Klischees gespielt wird. Denn bei diesem wiederkehrenden Trend sollte man nicht vergessen, dass die Outfits eben nicht nur eine Anspielung auf Eliteschulen sind, sondern von jungen, noch nicht erwachsenen Frauen, eben Schülerinnen, inspiriert sind.
Ob in der Kunst, der Popkultur oder schließlich der Mode: Die Darstellung von Schulmädchen eint, dass es vor allem Töchter aus der Oberschicht sind, die im Kontext von Schulen und Bildung dargestellt werden. Neben den Zuschreibungen von Fleiß, Intelligenz, Strebsamkeit und Unschuld, die sich weiblicher Klischees bedienen, kommt das kulturelle Interesse an Schulmädchen nicht ohne die Begeisterung für Prestige, Eliten und Geld aus.