Herr Richter, herzlichen Glückwunsch zur neuen Aufgabe. Wie ist Harald Schmidt auf Sie aufmerksam geworden?
Ich würde sagen, Harald Schmidt ist ein kluger Mensch, also Zeitungsleser. Er hat sich ja früher in seiner Late-Night-Show schon oft genug auf Texte aus dem Feuilleton bezogen, ein paar mal auch auf Texte von mir. Seine neue Show bei der ARD soll nun, wenn ich das richtig sehe, insgesamt eine Art Fernsehfeuilleton werden, also holt er sich unter anderem einen Feuilletonisten an Bord, der als Korrespondent aus der Hauptstadt berichtet. Ich weiß auch noch nicht, wie das im Einzelnen aussehen wird, aber es wird wohl im Wesentlichen darum gehen, meinen Job hier bei der Zeitung gelegentlich für das Fernsehen nutzbar zu machen. Wenn ich zum Beispiel über die politische Ikonografie des amerikanischen Präsidenten schreibe, klassische Kunstgeschichte, engstens gefasster Kulturbegriff, dann wäre so etwas ähnliches vielleicht auch im Fernsehen aufschlussreich, eigentlich wäre das Fernsehen sogar fast noch geeigneter, weil man noch mehr Bilder zeigen kann.
Sie spotten zwar immer wieder über das Heer unbezahlter Blogger, aber mit Ihrer FAZ-Videokolumne „Richterspruch“ haben Sie sich auch für das Fernsehen empfohlen …
Eins ist da klarzustellen: Blogger, die ich persönlich in ihrem emsigen Tun absolut ehren- und bewunderswert finde, werden von mir ausschließlich in kommerzieller Absicht verspottet, wenn ich selber im Netz auftrete, in der Videokolumne „Richterspruch“ auf FAZ.net. Das ist natürlich nichts als ein extrem durchsichtiges Mittel, die Klickzahlen zu steigern. Und auf die Empörungsreflexe im Netz kann man sich verlassen. Das ist wie, wenn der Arzt mit dem Hämmerchen aufs Knie klopft. Im Fernsehen war ich vorher schon gelegentlich zu sehen, aber die Videokolumne hat sicher gezeigt, dass ich mir nicht zu fein bin, regelmäßig mein Gesicht in eine Kamera zu halten. „Richterspruch“ ist allerdings ein satirisches Format, in seiner ganzen Lautstärke zugeschnitten auf das Internet. Bei Schmidt wird es eher um andere Dinge gehen, im Idealfall um strikt Hochkulturelles. Schon weil Kulturberichterstattung im Fernsehen dringend mal aus den Fängen der üblichen Kultursendungen befreit werden sollte, die ihren Gegendständen fast immer in hechelnder Proskynese begegnen oder jedenfalls in diesem betulich raunenden Achtung-Kultur-Tonfall.
Werden Sie denn auch über Gegenwartskunst und ihren Betrieb berichten?
Unbedingt.
Nicht, dass Sie am Ende als der Oliver Pocher der Kunstkritik dastehen ...
Das fürchte ich nicht.
Das Fernsehen verwandelt die Menschen schnell in Kunstfiguren, und dann liest man Peter Richter, und denkt, aha, das ist ja der lustige Mann aus dem Fernsehen.
Für seine Gedanken ist erstens jeder selbst verantwortlich, und für derartige Beschränkungen des Denkens auch. Aber selbst wenn: Wo läge der Nachteil, wenn eine Kunstkritik mal von zwei oder drei Menschen mehr gelesen würde, fachfremden womöglich sogar, als immer nur vom Künstler selber, seinem Galeristen und einem anderen Kunstkritiker, der schaut, ob er was abschreiben kann. Das Experiment ist es mir wert. Und „lustig“ wird es, glaube ich, gar nicht werden. Es wird ja da keine Comedy geben, sondern ganz im Gegenteil: seriösestes Kulturhochamt.
Was zieht Sie ins Fernsehen?
Dass da noch einmal andere Sachen möglich sind, als beim Schreiben, und dass da Millionen von passiven Glotzern davorsitzen, die, anders als Zeitungsleser oder Internetnutzer, quasi wehrlos mit allem Möglichen befüllt werden können, am Ende sogar mit Kunst. Im Hauptberuf bin und bleibe ich zu 150 Prozent natürlich Schreiber, Feuilletonredakteur, Buchautor, nebenbei mache ich die Videokolumne und nun hin und wieder mal einen kleinen Gastauftritt bei Harald Schmidt. Nur um die Verhältnisse mal klarzustellen. Ich bin im FAZ-Feuilleton, ich spiele sozusagen bei Real Madrid, und in meiner Freizeit lerne ich jetzt eben auch noch Golf, könnte man sagen.
Die nächste Sendung von "Harald Schmidt" wird von der ARD am 24. September 2009 um 22.45 Uhr ausgestrahlt. Mehr unter www.daserste.de/haraldschmidt
Peter Richter veröffentlichte kürzlich seinen ersten Roman: Er heißt "Gran Via - Spanische Vorkommnisse" und ist im Goldmann Verlag erschienen