Darstellung von "Indianern"

"Das ist ja ein absolutes Klischee"

Picnic, Central Park (“I ♥ NY” series), 2009


In New York wurde eine Fotografie eines als "Indianer" verkleideten taiwanesischen Künstlers aus einer Ausstellung entfernt. Auch in Deutschland wird die Darstellung amerikanischer Ureinwohner diskutiert: Wissenschaftler fordern eine Überarbeitung der Karl-May-Festspiele

Die New York Foundation for the Arts hat eine Fotografie des taiwanesischen Künstlers Ching-Yao Chen aus einer Ausstellung entfernt. Die Aufnahme von 2009 zeigt den Künstler als "Indianer" verkleidet und mit rot-brauner Farbe angemalt. Neben dem Künstler sind drei Frauen in indigener Kleidung bei einem Picknick im Central Park dargestellt. Die Aufnahme ist Teil der Serie "I Love New York". Laut Luchia Lee, Leiterin des privaten Taiwanese American Arts Council, das die Ausstellung in den Brooklyner Räumen der New York Foundation for the Arts organisiert hat, gehe es Ching-Yao Chen in der Serie um eine Feier der Diversität der Stadt. Darum drehe sich auch die Gruppenausstellung "Urban Tribes", deren Teil die Foto-Arbeit war.

"Eine direkte Beleidigung der Community"

Nach Angaben von "The Art Newspaper" beschwerte sich Jason Lujan, ein Künstler mit mexikanischen und Chiricahua-Apache-Vorfahren, per E-Mail bei den Veranstaltern: "Redface", also das Bemalen des Körpers mit Farbe, Federschmuck und Kriegsbemalung "verfestigen Sterotypen": "Ich habe den Text gelesen, in dem die Intention der Arbeit beschrieben wird. Er ist, mit Wohlwollen betrachtet, eine armselig durchdachte Entschuldigung der Verspottung indigener Einwohner und, weniger gnädig gesehen, eine direkte Beleidigung der Native American Community hier in New York. Es muss immer wieder betont werden, dass das Tragen einer Federhaube und von Kriegsbemalung genauso wenig akzeptabel ist wie das Tragen eines Sombrero, einer Kippa und eines Hidschab." Lujan habe seine Mail mit "Stillschweigen bedeutet Komplizenschaft" beendet.

In den USA wird immer wieder um kulturelle Aneignung in der Kunst gestritten, am prominentesten in dem Fall eines Gemäldes von Dana Schutz zur Whitney Biennale vor zwei Jahren. Aber auch in Deutschland wird gerade um die stereotype Darstellung amerikanischer Ureinwohner diskutiert: Mita Banerjee, Professorin für Amerikanistik am Obama Institute for Transnational American Studies in Mainz, findet, dass die Karl-May-Spiele so wie bisher nicht weitermachen können. Sie förderten ein klischeehaftes Bild von "den" Indianern, die es so als Einheit gar nicht gegeben habe, kritisiert sie. Die Vielfalt indianischer Kulturen finde keine Berücksichtigung.

Wie ein Festival über Deutschland, wo immer Sauerkraut gegessen wird

"Ein kurzes Gedanken-Experiment kann uns das Problem vielleicht verdeutlichen", sagt die Wissenschaftlerin. "Stellen Sie sich vor, irgendwo in Afrika feiert ein Land ein Festival, bei dem eine erfundene Geschichte über einen Deutschen aufgeführt wird, und alle tragen ausschließlich Lederhosen und Dirndl und essen nichts als Sauerkraut. Immer. Was würden wir wohl dazu sagen? Wir würden sagen: 'Das ist ja ein absolutes Klischee. In Wahrheit bin ich ganz anders und bei uns gibt es so viel mehr.'"

Banerjee geht nicht soweit, ein Ende der Karl-May-Festspiele zu fordern. "Aber wir müssen sie dringend verändern." Zum Beispiel könnte sie sich vorstellen, dass indigene (indianische) Künstler aus den USA mit einem Film oder einem anderen Projekt in das Programm integriert würden. "Sonst bleibt es eine koloniale Geste. Dann sagen wir: Es ist uns egal, ob wir eure Wirklichkeit darstellen oder nicht - euer Bild gehört uns!"

Auch Anne Slenczka, Amerika-Referentin im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, fehlt bei Karl May die Stimme der "Native Americans", wie die "Indianer" in den USA und in Kanada meist genannt werden. Sie plädiert dafür, den Begriff "Indianer" ebenso zu streichen wie das Wort "Rothaut. Denn es sei ja keineswegs so, dass die Ureinwohner Amerikas eine rote Hautfarbe gehabt hätten. Vielmehr hätten sie sich zu bestimmten Anlässen das Gesicht bemalt - manchmal in Rot. "Nicht nur bei den Native Americans, sondern weltweit spielt Gesichtsbemalung bei indigenen Ethnien in manchen Situationen eine große Rolle."

Winnetou: So ungefähr wie bei Harry Potter 

Jean-Marc Birkholz, der Winnetou-Darsteller in Elspe, kann die Diskussion nicht nachvollziehen: "Winnetou ist eine Märchenfigur", sagt der 45 Jahre alte Schauspieler. Ute Thienel, Geschäftsführerin der Karl-May-Spiele Bad Segeberg, sieht es genauso: "Der Forderung von Professorin Banerjee liegt ein Missverständnis zugrunde", findet sie. "Die Karl-May-Spiele erheben überhaupt nicht den Anspruch, die Realität im Nordamerika des 19. Jahrhunderts darzustellen. Wir bringen die Traumwelt des Schriftstellers Karl May auf die Bühne."

Zwar gebe es bei Karl May Anklänge an den echten Wilden Westen, aber alles sei stark romantisiert - ungefähr so wie bei Harry Potter: Da komme zwar auch der sehr reale Bahnhof King's Cross in London vor, aber ebenso das magische Gleis 9 3/4.

"Karl May ist Fiktion", betont auch Christian Wacker, Direktor des Karl-May-Museums in Radebeul bei Dresden. "Seine Bücher sind Fantasy-Geschichten." Der Schriftsteller aus dem Deutschen Kaiserreich schrieb seine Romane, ohne je in den USA gewesen zu sein - erst im fortgeschrittenen Alter schaffte er es erstmals dorthin. "Indianische Kulturen studieren konnte er nicht - weil es diesen Forschungszweig noch gar nicht gab", sagt Wacker. Dennoch könnten die Karl-May-Geschichten bis heute Interesse an indigenen Kulturen wecken, nach dem Motto: Wie war Winnetou denn wirklich? "Wir arbeiten hier im Karl-May-Museum ganz eng mit indigenen Völkern zusammen und weisen dabei auch auf heutige Probleme hin", berichtet Wacker. "Und wir haben hier jedes Jahr die Karl-May-Festtage. Da haben wir eine indigene Bühne, und die ist ganz klar getrennt vom kirmesartigen Treiben der Indianer und Cowboys, das es auch gibt."  Die Karl-May-Spiele in Bad Segeberg sind seit langem mit dem Winnebago-Stamm in Nebraska befreundet.

Michael Petzel vom Karl-May-Archiv in Göttingen führt noch ein weiteres Argument ins Feld: "Ohne die Karl-May-Begeisterung wäre das Interesse an der Indianistik in Deutschland vermutlich kaum vorhanden - so wie an den meisten anderen indigenen Völkern - leider!"

Festivals mit deutschen Klischees gebe es im Übrigen ja auch, meint Ute Thienel: "Im Themenpark Epcot in Walt Disney World in Florida wird genau das gemacht - mit Mitarbeitern in Dirndl und Krachleder, die vor Schwarzwald-Kulissen das deutsche Nationalgericht Bratwurst mit Kartoffelchips servieren. Wir finden, man sollte das mit Fassung tragen."