Kunst im Parkhaus

Nur Mut!

Gerade für Frauen ist das Parkhaus oft ein Angst-Ort. Unter der Kunsthalle Düsseldorf macht nun ein Schriftzug der Künstlerin Eliza Ballesteros Mut - und steht auch für kreative Ausstellungsformen im Lockdown

Parkhäuser gelten als unheimliche Orte, an denen Frauen eigens für sie vorgesehene Parkplätze und nicht nur Fahranfänger:innen Gänsehaut bekommen. Sie sind tendenziell zu dunkel, zu weitläufig und vor allem: nicht schön. Die Kunsthalle Düsseldorf wartet nun mit einer Gegenposition zu dem klischeebehafteten Ort auf: Im Parkhaus unter der Institution wird die Werkreihe "Mur Brut" fortgesetzt. Seit 2014 gestalten dort eingeladene Künstler:innen in regelmäßigen Abständen eine der Wände.

Für die 18. Ausgabe von "Mur Brut" hat die Künstlerin Eliza Ballesteros in Kollaboration mit der Grafikdesignerin Teresa Schönherr den Schriftzug "Dare" entwickelt und mit Fahrbahnmarkierungsfarbe auf die Parkhauswand aufgetragen. Sobald der Lichtkegel eines vorüberfahrenden Autos darauf fällt, wird er sichtbar. Dabei brechen und reflektieren feine Glasperlen in der haptischen Farboberfläche das Scheinwerferlicht.

Dare (englisch für "etwas wagen", "sich etwas trauen") ist wortwörtlich ein Lichtblick: Die von Katharina Bruns kuratierte Ausstellung wertet den vermeintlichen Angstraum zu einem Ort für Kunst auf. Eine Mutprobe, wie es ihr Name verspricht, ist die Arbeit in vielerlei Hinsicht: Sie lockt Kunstinteressierte unter die Erde. Sie nimmt einen ungewöhnlichen Raum ein. Und sie ermöglicht es Frauen, diesen Raum für sich zu beanspruchen.

Ein Wort, das Kraft hat

"How DARE you?", fragte auch Greta Thunberg 2019 vor den Vereinten Nationen. Die damals 16-jährige Aktivistin kritisierte die passive Haltung der Politik gegenüber der Klimakrise, die jungen Menschen die Zukunft raube. "Dieses Wort hat Kraft", sagt Ballesteros. "Auch Greta nimmt sich ihren Raum und verschafft sich Gehör". In diesem Zusammenhang ist auch die großformatige Arbeit "Dare" im Parkhaus der Kunsthalle Düsseldorf ein Imperativ, gegebene Zustände zu hinterfragen oder aus einer anderen Perspektive zu betrachten.

Zum Beispiel unser Verständnis von Typografie: Markante Schriftzüge sind im Rahmen feministischer Arbeiten nicht unüblich, man denke an die Plakate von Barbara Kruger oder den Guerilla Girls, auf denen Schrift als Machtmittel genutzt wird. Während hauptsächlich über die Bedeutung der Worte gesprochen wird, transportiert auch das Schriftbild eine Botschaft: So gelten dicke, serifenlose Lettern als besonders klar und ausdrucksstark, während Schnörkel oder weiche Linien weniger seriös wirken - von Comic Sans ganz zu schweigen.

Im Parkhaus muss sich "Dare" gegen die mächtige brutalistische Architektur behaupten. Der verschnörkelte, ausladende Schriftzug mutet elfenartig an, wirkt gleichzeitig aber auch kraftvoll und organisch. Fast scheint es, als würde er seine Krallen gegen die aalglatten Betonwände ausfahren. "Dare" dekonstruiert auch tradierte Vorstellungen von guter und schlechter Typografie.

Kämpfende Heroen neben glänzenden Luxusschlitten

Wie kommt es, dass sich das Parkhaus in unserem Gedächtnis als Angstraum verankert hat? Standen diese doch lange Zeit sinnbildlich für den Wohlstand einer Stadt. Als Mitte des letzten Jahrhunderts immer mehr Menschen ein eigenes Auto besaßen und schnell viel Parkraum geschaffen werden musste, versprachen Parkhäuser eine effiziente Nutzung des innerstädtischen Raums.

Die seit den 1990er Jahren verbreiteten "Frauenparkplätze", die kürzere Wege zum nächstgelegenen Notausgang versprechen, haben jedoch das Bild eines unsicheren Ortes zementiert. Und das, obwohl die Videoüberwachung von Parkhäusern ebenfalls stark zugenommen hat. Faktisch gibt es in Hoch- oder Tiefgaragen nicht mehr Übergriffe als an anderen Orten, etwa im direkten privaten Umfeld der Frauen. Dennoch besitzen sie den Ruf eines stark männlich dominierten Ortes.

Einen großen Anteil an seiner kulturellen Aufladung haben Hollywood-Filme: Automatisch kommen Szenen von Überfällen, Verfolgungsjagden und explodierenden Kleinwägen in den Sinn. In "Scream 4" wird Rebecca Walters in der Tiefgarage massakriert, bei "The Dark Knight" trifft sich Gothams kriminelle Elite dort zum Geiselaustausch, und "Mission – Impossible 4" lässt den Showdown in einer futuristischen Parkanlage stattfinden. Der Thriller "P2 – Schreie im Parkhaus" bildet die bisherige Krönung der Parkplatz-Angstschocker. Diese Filme präsentieren uns kämpfende Heroen neben glänzenden Luxusschlitten oder menschenleere Betongebäude, in denen irgendwo eine Leuchtstoffröhre flackert und aus der Ferne Schritte hallen.

Die Eroberung eines nichtinstitutionellen Raums

Auch in zahlreichen Musikvideos ist das Parkhaus Ort des Geschehens, etwa in Eminems Freestyle-Rap gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump oder Beyoncés "Don’t Hurt Yourself", eine Abrechnung mit einer toxischen Beziehung. Künstler:innen nutzen die vermeintliche Neutralität der kahlen Wände aus den unterschiedlichsten Gründen. Weil dort dicke Schlitten stehen, wegen der Weitläufigkeit der wenig besuchten Orte oder auch deshalb, weil der halb öffentliche, halb private Raum eine stark nichtinstitutionelle Kraft birgt.

Diesen Effekt macht sich die Kunsthalle Düsseldorf mit ihrer Ausstellungsreihe "Mur Brut" zu Nutze. Sie zeigt Kunst in einem Umfeld, in dem andere Regeln gelten als im Museum. In dem Grenzen überschritten und kritische Aussagen getroffen werden dürfen. Das kulturelle Framing suggeriert einen Ort, an dem alles erlaubt zu sein scheint. An der kahlen Parkhauswand wirkt Eliza Ballesteros‘ "Dare" wie eine kritische Kontraposition zum klassischen Ausstellungskontext.

Düsseldorf ist kein Einzelfall: Parkhauskunst hat Konjunktur, sei es in Form eines Unterwasser-Dioramas in der Hamburger Hafen City oder der zeitgenössischen Fotoausstellung "Fumes and Perfumes" in Stuttgart. Auch in der Tiefgarage des Javett-Kunstzentrums in Pretoria konnte man Ende letzten Jahres aus dem Auto heraus Kunst bestaunen.

Besonders während der Pandemie, wenn Museen und Kunsthallen bis auf weiteres geschlossen bleiben, bietet Kunst im öffentlichen Raum eine neue Perspektive. Die "Drive-Thru-Ausstellungen" erlauben es auch während des Lockdowns, analoge Ausstellungen zu besuchen. Gleichzeitig eröffnen sie als kostenlose Formate die Möglichkeit, im öffentlichen Raum ein anderes Publikum für Kunst zu interessieren. Man muss sich lediglich in die Tiefgarage trauen.