Dane Mitchell, was fasziniert Sie so an obsoleten Dingen?
Ich denke, dass das Vergangene in vielerlei Hinsicht eine große Rolle in unserem täglichen Leben spielt und immer omnipräsent bleibt. Dieses nunmehr unsichtbare Material – und damit meine ich auch unsere Ideen und Sprachen – trägt und formt unseren gegenwärtigen und auch den zukünftigen Moment. Ich denke, es ist überaus wichtig, die Vergangenheit ausreichend zu thematisieren, um die globalen Problematiken der Gegenwart, von der Vertreibung von Menschen, dem Klimawandel bis hin zu Fake News, überhaupt erst richtig verstehen zu können. In diesem retrospektiven Blick materialisiere ich sie ein letztes Mal.
Aber ist es dann nicht ein wenig ironisch, diese Dinge in Venedig, einer sinkenden Stadt, bewahren zu wollen?
Gerade deswegen scheint Venedig für mich der perfekte Ort zu sein, um über Vergänglichkeit zu sprechen. Venedig ist eine Stadt, die mit hunderten von Baumstämmen aus der Lagune gehoben wurde, um nun langsam wieder in ihr zu versinken. Sie ist voller Antagonismen – ein historischer Ort, der diese unglaubliche, zeitgenössische Ausstellung ausrichtet.
Deswegen haben Sie sich auch entschieden, den Biennale-Kosmos mit "Post hoc" zu verlassen und das Stadtbild zu durchkreuzen?
Ja, die Arbeit wird in zwei Gebäuden und drei Gärten umgesetzt. Der Pavillon ist im Palazzina Canonica auf der Riva dei Sette Martiri, dem ehemaligen Hauptsitz des Meeresforschungsinstituts, das sich als unser Partner an einer Vielzahl von Listen beteiligt hat. Dort werden die Listen von einer künstlichen Stimme vorgelesen und parallel an eine Vielzahl von baumähnlichen Funktürmen in den Stadtraum übertragen. Zeitgleich werden sie in der leeren Bibliothek der Palazzina auf insgesamt 20 Kilometern Papier gedruckt.
"Post Hoc" wird damit Ihre bisher größte Arbeit sein?
Richtig, ich präsentiere die Wortlisten acht Stunden am Tag, sechs Tage die Woche, über die gesamte Ausstellungszeit von sieben Monaten – in der Summe 176 Tage, mit jeweils etwa zwölftausend Wörtern pro Tag. Wiederholungen gibt es nicht. Wir sammeln also über zwei Millionen Wörter insgesamt, das wird verrückt!
Würden Sie sagen, dass diese Listen die verlorenen Schätze der Weltgeschichte oder viel mehr unseren aussortierten Müll versammeln?
Viele dieser Dinge sind zwar in gewissem Sinne obsolet, aber ich denke, dass sie als eine Art Brutstätte des Fortschritts zu verstehen sind. Denn erst indem wir Dinge obsolet machen, empfinden wir "Fortschritt". Daher versammeln die Listen vermutlich beides und begegnen ihnen auch mit gemischten Gefühlen – sie sind einerseits zutiefst tragisch, herzzerreißend, aber in ihrer Melancholie zugleich auch wunderschön.
Inwiefern repräsentiert dieses Thema Ihr Herkunftsland Neuseeland auf der Biennale?
Grundsätzlich denke ich, dass die neuseeländischen Beiträge nicht unbedingt den Anspruch haben, einen Nationalismus in dem Sinne zu illustrieren, sondern zunächst einfach interessante Künstler vorstellen wollen. Dennoch besteht eine Verbindung im Verhältnis zur Umwelt: Der Rest der Welt betrachtet uns als ein unberührtes Naturparadies – der Schutz dieses Habitats geht jedoch mit einer ambivalenten Beziehung zur Natur einher. Unsere Parkwege sind voller Fallen und Gift, wenn eine Kiefer in einem einheimischen Wald in Neuseeland wächst, liegt es in unserer Verantwortung, sie zu töten, weil es sich um eine invasive Art handelt. Insofern betrifft dieses Spannungsverhältnis von Kommen und Vergehen ganz konkret unsere Insel.