Hirst-Jubiläum

Haifischbecken Kunstbetrieb

Vor 30 Jahren stellte ein Künstler namens Damien Hirst einen eingelegten Hai aus. Diese Arbeit machte den Briten reich und berühmt – und bereitete einem beispiellosen Kunstboom den Weg

Die Anweisung war deutlich: "Groß genug, dass er dich fressen könnte." Der ambitionierte Kunsthochschulabsolvent Damien Hirst, der bei einem australischen Haifänger seine Bestellung aufgab, wusste genau, was er wollte, nicht weniger als eine Sensation, bitteschön. Auftrag und Geld erhielt der damals 26-Jährige vom Werber Charles Saatchi, der sich sehr für ihn und seine ehemaligen Kommilitonen am Londoner Goldsmiths College interessierte. Der Fischer fing also einen stattlichen Tigerhai, Hirst hängte ihn in Vitrinen voller Formaldehyd und Saatchi zeigte "The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living" im März 1992 zusammen mit anderen "Young British Artists" in seiner Galerie.

Hirsts Hai mit dem weit aufgerissenen Maul wurde das Maskottchen dieser losen Künstlergruppe, als deren Anführer Hirst galt und die spätestens seit der "Sensations"-Wanderausstellung 1997 in aller Munde war. Der eingelegte Raubfisch stand für die Aggressivität einer Generation, die Sex und Crime in die Kunst brachte und Kunstmarkt wie Boulevard aufstoben ließ. 

"The Physical Impossibility…" ist Vanitassymbol und Hommage an die Kadavermalerei des Hirst-Idols Francis Bacon, das Präparat bringt die Verwaltung der Natur auf den Punkt, den Widerstreit zwischen Aufklärung und lodernder Lust am Geheimnis. Weniger wohlwollend betrachtet ist das Werk ein Startpunkt für eine Kunst, die immer krasser und spektakulärer sein musste, um in der sich globalisierenden Welt einer neuen Sammlerschaft aufzufallen, die von Miami bis Peking mit billigem Geld um protzige Assets konkurriert. 

Sterbenmüssen und Lebenwollen

Damien Hirst machte diese Arbeit reich und berühmt. Er ließ seither für Vitrinenarbeiten Kälber, Schafe und Fische konservieren (die Gagosian-Galerie zeigt ab Mitte März eine Überblicksschau der Formaldehyd-Vitrinen), und auch darüber hinaus fielen ihm immer neue bildende Aphorismen ein zum Sterbenmüssen und Lebenwollen, zur Fleischlichkeit und Transzendenz, zum Raubtierkapitalismus und dem Haifischbecken Kunstbetrieb. Die ikonografische Wucht des Hais konnte er allerdings erst wieder 2007 mit seinem edelsteinbesetzten Totenkopf erreichen.

Dem Tier selbst erging es hingegen nicht so prächtig: Da es nicht gut konserviert war, musste es 2006 gegen eine Artgenossin ausgetauscht werden. Zwei Jahre später schuf der Künstler die nahezu identische Arbeit "Death Denied". Und immer wieder neu wirft das Kunstwerk Fragen auf: Was ist sein Original? Ist ein besserpräparierter Hai überhaupt noch ein glaubhaftes Memento Mori? Und: Wie häufig will Hirst noch töten, um an den Tod zu erinnern?