Corona-News aus der Kunstwelt

"Bleibt unverzagt und gesund"

Unser Corona-Briefing, unter anderem mit diesen Themen: Gerhard Richter meldet sich auf der Isolation, Tocotronic schenken "Hoffnung", Fotogalerie Lumas ruft Regierung zum Handeln auf

Die Fotogalerie Lumas befürchtet durch die Corona-Krise ein Sterben der Innenstädte. In einer ganzseitigen Annonce in der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch wendet sie sich nun an die Politik. Die Betreiber adressieren die Bundeskanzlerin, Bundesministerinnen, Ministerpräsidenten und Mitglieder des Deutschen Bundestages und fordern Gegenmaßnahmen: "Auf Stillstand folgt Leerstand. Sie müssen bitte jetzt handeln!" Lumas-Gründer Stefanie Harig und Marc Ullrich warnen vor einer "nie gesehenen Insolvenzwelle unter den 260.000 Non-Food-Einzelhändlern mit heute noch 2,3 Millionen Arbeitsplätzen" und rufen dazu auf, die von kleinen Geschäften und Händlern gesäumten Innenstädte zu retten. Als wichtigsten Punkt nennen sie einen Pakt für gewerbliche Mieten, in dem die Vermieter auf einen Großteil der Miete verzichten sollten, Mieter so viel zahlen, wie es ihnen möglich ist und der Rest aus einem Rettungsinstrument des Staates dazugegeben werden solle. Außerdem fordern die Galeriegründer so schnell wie möglich eine "Corona-App", mit der getrackt werden könne, ob man Kontakt mit einer infizierten Person hatte. So könnten "wir wieder schneller unsere Innenstädte beleben, uns begegnen und uns miteinander wohlfühlen", heißt es weiter. Lumas wurde 2003 gegründet und vertreibt an 15 Standorten und online Fotoabzüge.

Die Allianz der Freien Künste, ein Zusammenschluss aus 18 deutschen Künstlerverbänden, fordert Nachbesserungen bei den Soforthilfen für Solo-Selbstständige in der Corona-Krise. In einem Statement heißt es, man begrüße die Maßnahmen, stelle aber fest, dass die Hilfen bei vielen Freiberuflern, Kleinunternehmen und Solo-Selbstständigen nicht greife. Unter anderem kritisierte die Allianz, dass anteilige Lebenshaltungskosten nicht als Betriebskosten anerkannt würden, obwohl dies bei vielen Kreativen nicht zu trennen sei. So würden freiberuflich Kunstschaffende in die Grundsicherung gedrängt. Außerdem herrsche große Unsicherheit, wie die Soforthilfe mit anderen Formen der Förderung kombinierbar ist. Die Verbände fordern, die Hilfsprogramme an die Lebenswirklichkeit von Künstlerinnen und Künstlern anzupassen.

In einer Umfrage von Monopol und Civey zur Zufriedenheit mit dem Beantragungsprozess für die Corona-Soforthilfen für Selbstständige und freie Künstler zeigt sich ein gemischtes Bild: Ungefähr ein Drittel ist zufrieden, ein Drittel unentschieden und ein weiteres unzufrieden. Die Zufriedenheit hängt sicher auch mit den diversen Hintergründen der Selbstständigen zusammen. Eine Katastrophe, wie manche vorab erwartet haben, war der Beantragungsprozess aber offenbar nicht:


Gerhard Richter lebt derzeit wie die meisten alten Menschen isoliert. Er habe aber auch vor der Corona-Krise schon ein relativ zurückgezogenes Leben in seinem Haus in Köln geführt, sagte der 88 Jahre alte Maler der Deutschen Presse-Agentur in Köln. "Insofern merke ich den Unterschied nicht so sehr." Er informiere sich regelmäßig über die Pandemie in den Medien. Sonst bekomme er nicht allzu viel davon mit. Hin und wieder zeichne er ein wenig. Dass im Zusammenhang mit dem Hamstern von Toilettenpapier jetzt mitunter sein Gemälde "Klorolle" von 1965 als Illustration genutzt werde, sei ihm nicht so recht. Eher ließen sich zum Beispiel - so man es denn unbedingt wolle - seine Bilder von brennenden Kerzen auf die derzeitige Krise beziehen. Manche erblickten darin vielleicht ein Zeichen der Hoffnung und des Trostes. Er sei sich aber nicht sicher, dass die Kunst den Menschen in einer solchen Lage helfen könne. "Das weiß ich nicht, da bin ich nicht der Richtige", sagte Richter. Vermutlich hänge es vom Einzelnen ab. Fest stehe nur, dass sich die äußeren Umstände des Lebens einschneidend verändert hätten: "Die hektische Betriebsamkeit, die wir hatten, entfällt."

Die Band Tocotronic hat am Mittwoch den Song "Hoffnung" herausgebracht, dazu ein sensationelles Video mit Webcam-Ansichten von coronabedingt leeren Plätzen. "Eigentlich war er gedacht für das neue Album, das 2021 erscheinen soll", erklärte ein Sprecher der Plattenfirma Universal zu dem Song. "Aber da er leider gerade so gut passt, haben sie sich entschlossen, ihn jetzt schon zu veröffentlichen." Tocotronic, eine der wichtigsten deutschsprachigen Bands der vergangenen 25 Jahre um Singer-Songwriter Dirk von Lowtzow (49), schrieben an ihre Hörer über "Hoffnung": Das Lied solle ihnen "in diesen dunklen Tagen - genau das - Hoffnung schenken. Denn der Text des Liedes, obschon über ein Jahr alt, spiegelt die Verzweiflung über die Vereinzelung, in der sich momentan jede*r befindet, mit einfachen, aber eindringlichen Worten wider und beschwört den Trost und die heilende Kraft, die von Musik und gegenseitiger grenzüberschreitender Solidarität ausgehen können." Zum Schluss appelliert das Quartett (neben von Lowtzow noch Jan Müller, Arne Zank und Rick McPhail): "Bleibt unverzagt und gesund, aber bleibt zuhause!"


Gut 50 Berliner Künstlerinnen und Künstler wollen am Osterwochenende gegen die Corona-Isolation ihre Arbeiten auf Balkonen und an Fenster präsentieren. Es werde keine offizielle Eröffnung geben und keine Menschenmengen, kündigten die Kuratorinnen Övül Durmusoglu und Joanna Warsza am Dienstag in einer Mitteilung an. Das Projekt im Stadtteil Prenzlauer Berg solle am Sonntag und Montag zu einem Spaziergang innerhalb der geltenden Regelungen einladen, um Leben, Kunst und Verbindungen zu suchen. Die Kunst auf den Balkonen steht aus Sicht der Organisatoren gegen Isolation und Individualisierung, dem Coronavirus und der damit verbundenen Angst solle nicht alles überlassen werden. Zu den Teilnehmenden zählen unter anderem der Künstler Olaf Nicolai, der bereits bei der Documenta in Kassel und der Biennale in Venedig dabei war, die serbische Videokünstlerin Marta Popivoda und die deutsch-italienische Filmemacherin Rosa Barba, deren Arbeiten mehrfach ebenfalls bei der Biennale sehen waren.

Bei einer Versteigerung für das französische Pflegepersonal, das seit Wochen gegen die Corona-Pandemie kämpft, sind 2,4 Millionen Euro erzielt worden. Insgesamt kamen 370 Lose unter den Hammer, wie das Pariser Auktionshaus Piasa am Dienstag bestätigte. Den Höchstpreis mit 207 000 Euro erzielte ein Gemälde der französischen zeitgenössischen Künstlerin Claire Tabouret. Unter den Werken waren auch eine posthume Kopie des "L'Esclave de Michel-Ange" (Michelangelos Slave) von Yves Klein, die für 56 000 Euro den Besitzer wechselte, und eine Wachs-Skulptur der Belgierin Berlinde de Bruyckere, die für 32 000 Euro versteigert wurde. Die Werke waren Spenden von Galeristen, Künstlern, Designern und Architekten. Der Erlös kommt dem Kollektiv #ProtegeTonSoignant (etwa: Schütze deinen Pfleger) zugute, das sich unter anderem um den Kauf und die Verteilung von notwendigem Material für Krankenhäuser kümmert. Die Versteigerung fand am vergangenen Wochenende statt.

Das Museum Folkwang in Essen verschiebt den Start der Ausstellung mit Werken des US-amerikanischen Pop-Art-Künstlers Keith Haring (1958–1990) in den Spätsommer. Die Retrospektive werde wegen der Coronavirus-Pandemie ab dem 21. August zu sehen sein und bis zum 29. November dauern, teilte das Museum am Dienstag mit. Ursprünglich war der Beginn der Ausstellung für den 29. Mai vorgesehen. Gezeigt werden frühe Zeichnungen und Experimente mit Video und Performance sowie großformatige Gemälde auf Papier, Leinwand und Vinyl. Zu sehen sind bekannte Motive wie das "Radiant Baby" und der "Barking Dog".

Die Kunsthalle Wilhelmshaven verleiht während der Corona-Krise Kunstwerke. Die Ausleihe erfolgt Leiterin Petra Stegmann zufolge kostenlos, bis der reguläre Betrieb wieder aufgenommen werden kann. Per Mail können sich Interessierte bei der Kunsthalle melden - die großen Skulpturen, fragilen Wachsobjekte oder Installationen werden nach Absprache vor der Kunsthalle platziert oder zugesandt. Sie stammen aus der Ausstellung "KOMM, NIMM MICH", die den Lebensraum Wattenmeer, die Kraft des Wassers und den stetig ansteigenden Meeresspiegel thematisiert. Auf die Idee sei der Künstler, Reiner Maria Matysik, gekommen, nachdem seine Ausstellung nicht wie geplant eröffnen konnte, erklärte Stegmann. Die Hoffnung der Macher: In Zeiten von Kontaktverboten und der «sozialen Vereinzelung» gebe es eine Auseinandersetzung mit Kunst in größter Nähe und Intimität. Die rund 250 Objekte im Wert von wenigen Hundert Euro bis zu fünfstelligen Beträgen sind über die Kunsthalle versichert. Unter ihnen ist eine zentnerschwere Aluminiumplastik in Wolkenform. Künstler Matysik ist seit 2016 Professor für Dreidimensionales Gestalten an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.

Der für den 1. Juni geplante Wechsel an der Spitze der Lyonel-Feininger-Galerie in Quedlinburg verschiebt sich. Weil die Gespräche mit Bewerbern wegen der Corona-Krise im März ausgesetzt werden mussten, bleibe Direktor Michael Freitag (65) bis Ende des Jahres im Amt, sagte eine Sprecherin der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Die Stiftung hatte die Stelle im Dezember und Januar deutschlandweit ausgeschrieben. 19 Bewerbungen seien eingegangen und sieben Männer und Frauen in die engere Wahl gekommen. Gesucht wurde ein Kunsthistoriker oder eine Kunsthistorikerin mit Spezialisierung auf moderne und zeitgenössische Kunst. "Aufgrund der Ungewissheit darüber, ab wann die Museen wieder öffnen und halbwegs normal arbeiten können, wurde entschieden, die ausgeschriebene Position frühestens zum 1. Januar 2021 zu besetzen", sagte Stiftungsprecherin Eta Erlhofer-Helten. ​Die sieben Ausgewählten sollen später wieder eingeladen werden, hieß es. Freitag ist seit 1. Januar 2014 Direktor der nach dem Künstler und Bauhaus-Meister Lyonel Feininger (1871-1956) benannten Galerie. Das Museum für grafische Künste im Harz existiert seit 1986.

Die Ausstellung mit den Gewinner-Fotos des World Press Photo Awards wird aufgrund der Corona-Pandemie nicht wie geplant in Hamburg stattfinden. Das teilte der Verlag Gruner + Jahr mit, in dessen Verlagshaus die ausgezeichneten Bilder vom 8. bis 31. Mai gezeigt werden sollten. Die Organisation World Press Photo veranstaltet alljährlich den weltweit größten Wettbewerb für Pressefotografie. Die ausgezeichneten Bilder wurden bislang in einer Wanderausstellung rund um die Welt gezeigt. Die Preisträger werden nach Angaben des Veranstalters am 16. April gekürt, ihre Aufnahmen sollen dann online präsentiert werden.